Der moderne Hausmann Von Michael Rudolf

Das Schicksal hat befunden, daß ich mich freiberuflich den Belangen des Nahrungserwerbes widmen darf, mit dem Vorteil, daß der Haushalt inklusive Aufzucht seines Vorstandes (zwei Jahre, weiblich) auch im wesentlichen in meinen Zuständigkeitsbereich fällt. Nun sind Kinder, wie es heißt, eine schöne Sache. Verwandte, Freunde und ehemalige Mitschüler werden nicht müde, die Segnungen des Nachwuchses zu preisen und geizen nicht mit praktischen Ratschlägen.

Freilich darf man jetzt, mit dem Kinde unterwegs, schon mal sein Geld vergessen haben oder das, was man überhaupt einkaufen wollte; nachsichtige und mitfühlende Mienen der Verkäuferinnen gleiten auch über meine Kleidung, an der man ohne Schwierigkeit den Speiseplan des Winzlings erkennen kann, die aber jeden anderen Mann dem Verdikt fortgeschrittener Verwahrlosung ausgeliefert hätte. Automobilisten gewähren aus freien Stücken unserem Fahrradzweierpack die Vorfahrt. Die Welt scheint aus den Fugen.

O ja. Seit das gute Mädchen nämlich über die Kenntnis besitzanzeigender Fürwörter verfügt, ist die Sache so einfach nicht mehr. Eben bestellt die und die Redaktion einen Dreiseitentext, am besten bis gestern, möglichst lustig und mit Metaebene, da verkündet das Kind, den Rest des Tages turnend auf dem Faxgerät verbringen zu wollen.

Also gut, dann erst die Plattenrezensionen. Konservierter Tonkunst aber begegnet es stets mit einer Kaskade verschiedener hochoktaviger Quetschlaute. Prompt wird auf irgendeiner schrillen Kinderlieder-CD bestanden. Kein Wohlklang ist es auch, wenn tischhohe CD-Stapel einstürzen und sich in das orgiastische Zerreißen von Faxpapier mischen. Plötzlich, anderen Sinnes, muß eine Suppe aus Buntstiften mit Fahrradfeinmechaniköl angerührt werden – die ausgerechnet auf meinen mit Textbauplänen und millionenschweren Pointen bemalten Notizzetteln angerichtet wird.

Das Saubermachen erscheint mir manchmal nur mehr als unzureichend motiviertes Platzmachen für neuen Dreck. Auch hat sich bereits seit Monaten der gestalterische Schwerpunkt unserer Behausung immer weiter nach oben verlagert, nachdem der Nachwuchs versucht, das Interieur mit eigenen ästhetischen Auffassungen in Einklang zu bringen.

Gerade deutete in schrecklicher Gurgeldiktion bekundeter Unmut darauf, daß er sich zum wiederholten Male mit Zettels Traum angelegt hat, der als allerletztes Printerzeugnis noch einen Ehrenplatz, auf dem Fußboden stehend, genießt. Die folgenden zwanzig Minuten wären mühelos in Noten zu setzen, zeitgenössischer Kammermusik nicht unähnlich.

Eine abrupte Wendung erfahren meine Beruhigungsversuche, als stechender Geruch davon Kunde gibt, daß dem Mädchen nun auch die Bedienung des Backofens keine Schwierigkeit mehr bereitet: Ich betrachte das gerne als Ausdruck unseres Interessengegensatzes, denn gegarter Anorak zählt nicht zu meinen Vorlieben. Das Kleinkind aber wischt meine flüchtig formulierten Flüche mit einem himmlisch anmutenden Lächeln weg.

Bald kommt die Mutter heim, und wieder ist ein Tag geschafft. Nur keiner von den bestellten Artikeln.