■ Das Portrait
: Vollendet

Eigentlich hatten die Literaturexperten fest mit Salman Rushdie und seinem Buch „The Moor's Last Sigh“ gerechnet. Doch der diesjährige Booker-Preis ging an die englische Schriftstellerin Pat Barker. Der renommierte Preis im Wert von 20.000 Pfund wurde ihr vorgestern in London für ihr Buch „The Ghost Road“ zuerkannt. Es ist der letzte Teil einer Trilogie über den Ersten Weltkrieg.

Die 52jährige Pat Barker stammt aus einer nordenglischen Arbeiterfamilie und wuchs in Thornaby-on-Tees bei Middlesbrough auf. Nach ihrem Studium an der London School of Economics wurde sie Lehrerin. Mit Mitte 20 begann sie ihren ersten einer ganzen Reihe von Romanen, die sie nie beendete. Die Schriftstellerin Angela Carter empfahl ihr schließlich, sich auf nordenglische Themen zu konzentrieren. Das Ergebnis war „Union Street“, ihr Erstlingswerk, mit dem sie gleich einen Preis gewann. Es handelte sich dabei um eine Liebesgeschichte zwischen einem Analphabeten, der in einer Großbäckerei arbeitet, und einer Arbeitskollegin. Hollywood- Regisseur Martin Ritt krempelte das Buch 1989 um und machte daraus den Film „Stanley und Iris“ mit Jane Fonda und Robert De Niro. Ein Jahr später erschien die deutsche Fassung.

In „The Ghost Road“ erzählt Barker von den psychologischen Untersuchungen des Anthropologen und Militärpsychiaters William Rivers, dessen bisexueller Patient Billy Prior mit dem Muff des edwardischen England konfrontiert ist. In dem Buch kommen auch verschiedene historische Figuren vor, doch Sprache und Dialoge sind der heutigen Zeit angepaßt.

Pat Barker, für ihren Roman „The Ghost Road“ ausgezeichnet mit dem Booker- Preis Foto: rtr

Seit die Vorauswahl für den Booker-Preis im September veröffentlicht wurde, gab es in England eine heftige Debatte darüber. Zum ersten Mal hatte die Jury nicht sechs, sondern „mangels Auswahl“ nur fünf AutorInnen benannt. Die jetzige Wahl erntete Lob: Barker's Buch sei eine „der größten Leistungen in der britischen Literatur dieses Jahrhunderts“, schrieb Literaturexpertin Eileen Battersby und fügte hinzu, daß der Booker- Preis endlich einmal nicht an das falsche Buch vergeben worden sei.

Und im Times Literary Supplement hieß es: „Zusammen mit den beiden anderen Bänden der Trilogie ist es eins der bedeutendsten und lohnendsten erzählerischen Werke in jüngster Zeit.“ Ralf Sotscheck