Erde bebt, Bilanz bleibt ruhig

Die Münchener Rück ist ein deutscher Gigant und der weltgrößte Rückversicherer – ihr Gewinn bleibt von Katastrophen wie in Kobe ungetrübt  ■ Von Reiner Metzger

Die größte Versicherung der Versicherungen auf der ganzen Welt, das ist schon was. Bei der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG sichern sich Unternehmen wie zum Beispiel Feuerversicherungen gegen eine Häufung von Schäden ab. Und so ging es gestern auf der Bilanzpressekonferenz der Rück denn auch viel um Zahlen, weniger um die Fäden, die der Konzern sonst noch zieht.

Vorstandschef Hans-Jürgen Schinzler konnte neben dem Konzerngewinn von 325 Millionen Mark das erste Mal seit 1978 wieder einen „versicherungstechnischen Gewinn“ vermelden: Im Geschäftsjahr 1994/95 nahm der Konzern 18 Millionen Mark mehr Beiträge ein, als die Schäden und ihre Abwicklung gekostet hatten. Das Rückversicherungsgeschäft hatte im letzten Jahr noch 380 Millionen Mark Verlust eingefahren.

Nach den vielen Rückschlägen der letzten Jahre zog die Rück ihre Vertragsbedingungen an, sorgte auch für promptere Prämienzahlungen und engagiert sich in gefährdeten Weltgegenden weniger (siehe Kasten). Nun konnte sie die Ernte einfahren, denn katastrophale Großschäden blieben aus. Selbst die Erdbeben im japanischen Kobe und von Northridge bei Los Angeles schlugen trotz ihrer Milliardenschäden nur mit 50 beziehungsweise 150 Millionen Mark zu Buche. Der Rekord des Hurrikans Andrew über Florida wurde also nicht erreicht. Damals mußte die Münchener Rück 300 Millionen Dollar an US-Versicherungen überweisen.

Die Beiträge stiegen um ein Prozent auf knapp 29 Milliarden Mark. So konnte der Versicherungsriese 800 Millionen Mark in die Schadens-Rückstellungen einzahlen, die damit auf gut 2,4 Milliarden Mark anstiegen.

Den eigentlichen Gewinn macht der Konzern seit einigen Jahren nicht mit dem Rückversicherungsgeschäft – schon allein wegen der gehäuften Naturkatastrophen der letzten Zeit. Die Rendite kommt vielmehr aus den Kapitalanlagen, die Unternehmensbilanz weist 111 Milliarden Mark an Beteiligungen und Erspartem aus. Das brachte 1994/95 einen Reingewinn von 7,3 Milliarden. Mit diesem ordentlichen Batzen können nicht nur eventuelle Großschäden, sondern auch die Verwaltung mit insgesamt gut 16.000 Angestellten locker bezahlt werden.

Auch die eine oder andere Million für Rückstellungen, die nicht unbedingt offen in der Bilanz auftauchen, dürfte da abfallen. Schließlich kauft die Münchener Rück immer wieder gern ein Unternehmen auf, meist aus der Versicherungsbranche. So gehört seit 1992/93 die Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG zum Reich der Münchener. Sie sind damit und noch mit einigen anderen Gesellschaften wie der Allianz-Lebensversicherung (44 Prozent Beteiligung) auch im Markt der Erstversicherer stark vertreten. Damit sichern sie sich ihre eigene Kundschaft, können sie doch bei eigenen Unternehmen darauf bauen, daß sie sich auch bei der Münchener Rück absichern.

In den fetten Jahren für die mageren sparen – auf diese Weise hat sich die Münchener Rück seit ihrer Gründung im Jahre 1880 zu einem der wichtigsten Konzerne Deutschlands hochgearbeitet. Sie beherrscht nicht nur weite Teile des internationalen Rückversicherungsgeschäfts. Auch bei Konzernen wie MAN, Degussa oder Hochtief halten sie wesentliche Anteile. Die Firmengründer Carl von Thieme und Wilhelm von Finck bildeten zehn Jahre nach der Rück die Allianz AG. Beide Unternehmen halten noch heute gegenseitig 25 Prozent ihrer Aktien.

Über die Allianz läuft auch ein gegenseitiges Beteiligungsgeflecht mit den Großbanken Deutsche und Dresdner Bank. Nicht nur halten die Versicherungskonzerne Anteile an den Banken – die Allianz sogar 22 Prozent an der Dresdner –, die beiden Geldhäuser besitzen auch je zehn Prozent an Allianz und Münchener Rück. Auch die Bayerische Vereinsbank ist an beiden Versicherern mit je zehn Prozent beteiligt. Die Vorstände der Banken und Versicherungen sitzen gegenseitig in den jeweils anderen Aufsichtsräten. Wer wen oder ob überhaupt jemand kontrolliert, ist für Außenstehende schwer zu durchschauen. Die Versicherungsbosse sitzen jeweils lange Jahre auf ihren Sesseln, bleiben meist im Hintergrund und lassen in der Öffentlichkeit Leuten wie Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper den Vortritt.

In dieser komfortablen Situation kann die Rück es sich auch leisten, mal einen Auftrag abzulehnen: Die milliardenteuren Bauaufträge für die Tunnel unter dem Tiergarten im Berliner Regierungsviertel wollten die Münchener nicht versichern: die Prämien waren ihnen zu niedrig.