Frischer Wind ins Parlament

■ Birgit Spohn (19) ist die jüngste Abgeordnete im Bremerhavener Stadtrat. Die Studentin setzt auf die Jugend

Mit 12 Jahren ging Birgit Spohn zur SchülerInnenaktivgruppe für Natur- und Umweltschutz. Mit 16 gründete sie eine Jugendinitiative der Grünen, mit 17 nahm sie deren Parteibuch an.

taz: In Niedersachsen dürfen 16jährige wählen, aber nicht gewählt werden. Ärgert Dich das?

Birgit Spohn:Ja, das ist eine halbherzige Sache.

Sie können in der Schülervertretung ihre Politik machen.

Birgit Spohn: Jede Politik muß für uns zugänglich werden. Parteipolitikerinnen und -politiker kümmern sich doch nur um diejenigen, die sie gewählt haben. Deswegen kommen Belange von Jugendlichen meist nicht vor.

Dagegen setzt Du bereits ab 16 den freiwilligen Gang in die Tretmühle der Politik?

Parlamente sind eingefahrene Institutionen, die nur von uns verändert werden können. Außerdem tragen wir den frischen Wind der Straße ins Parlament hinein. Politiker sind im allgemeinen doch recht abgestumpft.

Die Jungpolitikerin als parlamentarischer Arm einer sozialen Bewegung?

Das läßt sich gut miteinander vereinbaren. Ich habe als Vertreterin der Bevölkerung meine besonderen Kontakten zu bestimmten Gruppen.

Was hat ein 16jähriger Politiker, was dem 56jährigen fehlt?

Deren Reden sind oft meist dröge und leer. Viele loben meine Reden. Die seien so lebendig, so kraftvoll. Außerdem sind Jugendliche aufmüpfiger und nicht so in den Strukturen von Partei und Parlament festgefahren.

Ältere Politiker mögen weniger idealistisch sein. Aber gehen Jugendliche nicht viel zu emotional an poltische Themen heran?

Da unterscheiden sich Jugendliche und Erwachsene überhaupt nicht. Sieh Dir doch an, wie emotional Erwachsene die Debatte um den Bosnien-Krieg führen!

Denkst Du, daß jemand mit 16 in der Lage ist, über Milliardenprojekte zu entscheiden und sie zu verantworten?

In Bremerhaven haben immer ältere Erwachsene regiert. Und wir sind trotzdem eine sehr arme Stadt geworden, mit einer hohen Rate an Arbeitslosen, vielen Millionen Schulden und wenigen ökologischen Projekten. Diese Erwachsenen haben keine politischen Qualitäten durch ihr Alter bewiesen. Jugendlichen ihre politischen Qualifikationen aufgrund des Alters absprechen zu wollen, ist reiner Blödsinn. Das sind Voruteile.

Aber es sind Menschen Deines Alters, die vor zu großer Emotionälität warnen.

Ich finde, Gefühle in der Politik sind nicht falsch, weil eine gefühllose Politik an den Menschen vorbeigeht. So entstehen Langeweile und Politikverdrossenheit. Und im übrigen widerlege ich mit meiner Person doch dieses Vorurteil. Außerdem besteht unsere Gesellschaft aus vielen unterschiedlichen Menschen. Und alle, die hier leben, sollten mitmachen. Nur so werden wir eine lebendige Demokratie. Interview: Annette Rogalla