Allzweckwaffe

■ Das Büro Schramm, v. Bassewitz, Hupertz und Limbrock feiert sein 110jähriges mit einer Monografie

Im Herzen Hamburgs wird man schwerlich eine Wegstrecke von mehr als hundert Metern finden, auf der man nicht an einem Gebäude aus dem heute Schramm, v. Bassewitz, Hupertz und Limbrock genannten Architekturbüro vorbeikommt. In ihrer 110jährigen Geschichte – angefangen bei Schmidt + Wurzbach in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts über Elingius/Schramm im Dritten Reich zu Schramm + Pempelfort in den dunklen Sechzigern bis heute – hat dieses traditionsreiche Hamburger Büro die Stadt geprägt, ohne ihr eine persönliche Note aufzudrücken. Denn die 12 wechselnden Kompagnons haben dafür gesorgt, daß – von einzelnen geschichtlichen Phasen abgesehen – es weder im Stil, noch in der Materialwahl noch in der Qualität Stringenz gab.

Das Büro galt und gilt vielmehr als Allzweckwaffe für jede Lösung von der Großform bis zur Restaurierung denkmalgeschützter Bauten und entsprechend beliebig wird das architektonische Vokabular verwendet. In dem zweiten Teil der Monografie des Büros Häuser aus einem Hause – der erste war zum 100. Geburtstag 1985 bei Christians erschienen – wird diese Tendenz jetzt auch über die letzte Dekade erneut belegt.

Hatten die Vorgänger noch jedes dritte Geschäftshaus in der Innenstadt, die halbe Ost-West-Straße und dazu so prominente Projekte wie das CCH, die S-Bahn Hammerbrook, Wohnbebauung am Gropiusring in Steilshoop oder den Wiwi-Bunker in einem Stil entworfen, der uns heute in entweder beklemmender oder greller Scheußlichkeit entgegentritt, so setzten die heutigen Inhaber den Weg der zeitgenössischen Durchschnittlichkeit mit Erfolg fort.

Aufzuzählen, was das Büro alleine in den letzten zehn Jahren in Hamburg gebaut und geplant hat, würde jeden Rahmen sprengen und ergibt auch nicht viel Sinn, weil eh kein roter Faden zu erkennen ist. Das monströse Park- und Bürohaus hinterm Thalia, der Umbau des Fischmarktspeichers für Greenpeace, das Doormannhaus an der ABC-Straße und die Erweiterung des Deutschen Rings mit anschließender Vollverglasung des alten Hochhauses sowie die dahinter gelegene Haspa-Verwaltung reichen aber als Beispiele, um das Fehlen von Philosophie und Geschmack zu zeigen. Material und Gliederung, Textur und Ausdruck, Kontext und Urbanität, alles ist egal, wenn es denn einen Auftrag bringt. Und auch diese Ignoranz hat Tradition. Bereits 1963 plante das Büro den Abriß von 70 Prozent des Karoviertels, um hier das später am Dammtor realisierte Kongreßzentrum zu bauen.

Selbst dort, wo die für gewöhnlich mangelnde Prägnanz und Präsenz der Entwurfslösungen einmal bekämpft wird, wie bei der Deutschen-Ring-Erweiterung, reicht es gerade einmal zu einer brauchbaren Frontlösung. Der Geschwindigkeits-Metapher des gläsernen Schnittchens gegenüber dem Michel wird von der kleinkarierten, steinernen Rückseite so kraß widersprochen, als schämte man sich für diesen Einfall.

Allein die Geschichte dieses Büros macht schmerzlich deutlich, wie dringend Hamburg Inspiration von jungen und stadtfremden Architekten nötig hat. Und dieses Büro ist nur eins von sechs, die in Hamburg in diesem Stil alles machen. Warum? Till Briegleb

Häuser aus einem Haus, 1985-95, eva, 330 S., 128 Mark