Durchs Dröhnland
: „Fuck the system! Fuck society!“

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Der Onkel von Tomy ist der Melitta-Mann. Bücher liest Tomy nie, sagt er, aber wenn Christian Klar eins schreiben würde, das dann schon. Überhaupt sei die RAF ein klasse Pop-Phänomen. Er selbst nennt sich überzeugter Nihilist, seit er das Wort zur theoretischen Fundierung im Duden nachgeschlagen hat. Tomy ist Sänger und Sprachrohr der Zen- Faschisten, einer aus Köln stammenden und nun in Berlin heimischen Band, die so unbekannt ist, daß sie schon wieder berühmt ist. Legendär nach bereits zwei Platten, auch wegen der Zusammenarbeit mit Alec Empire von Atari Teenage Riot und Jan Werner von Mouse on Mars.

Sehr anders allerdings die Musik der Zen-Faschisten, die den Bandnamen im Text von „California über alles“ der Dead Kennedys fanden. Hin und wieder klingt es wie richtige Rockmusik, ein wenig Garage, ein bißchen relaxte Schönspielerei mit Zigarette im Mundwinkel. Plötzlich Dub- Versionen von Rocksongs, was sehr lustig klingt, aber auf der Bühne wohl nicht zu erwarten ist. Dann wieder ein schreckliches Zeugs, von dem man nicht weiß, was damit anfangen. Das liegt auch daran, daß Tomy am liebsten mit „Leuten, die nichts können“ spielt. Kein genialer Dilettant hatte jemals mehr Charme. Und hin und wieder groovt es sogar, man glaubt es kaum.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte

Zimbo macht nicht das Würstchen, sondern Songs. Zum Beispiel solche, die sich um die RAF kümmern und klingen, als würde Udo Lindenberg „Mackie Messer“ singen. Zimbo sind ein Trio aus Hamburg, dessen Freunde die Kinder sind, für die sie vehement Schlachten schlagen und die sie sogar vor fremden Autos retten. Aber auch Erwachsene schlecken gern mal ihre Süßigkeiten. Mithin sind Zimbo das Haribo der Hamburger Schule, das über einem obskuren Country-Beat wichtige Dinge zu vermelden hat: „Denken ja / Denken klar.“ Was soll man da noch sagen?

Besser sagt man gar nichts, lacht statt dessen und freut sich, daß auch der Punkrock sich anhört, als sei er von irgendwelchen Original Oberkrainern gespielt. Wer jetzt Ähnlichkeiten mit den Zen-Faschisten vermutet, hat recht, aber auch wieder nicht, denn hier sind Musikusse am Werk, die spielen können, ohne sich und ihr Können allerdings allzu wichtig zu nehmen.

Heute, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Bei ihrem allerersten Auftritt vor gut einem Jahr spielten Salt gleich auf einem Festival vor 25.000 Leuten. Hier macht Kleinvieh keinen Mist, weshalb auch die Musik der Schweden die bekannten Mechanismen des Erfolgsgrunge versiert repetiert. Ohne dabei allerdings groß aufzufallen – weder positiv noch negativ. Irgendwie komisch allein der Gedanke, daß einem solche Musik inzwischen nicht mal mehr unangenehm vorkommt, sondern sich geradezu als Soundtrack zum Abspülen aufdrängt. Das war mal anders und ist jetzt recht traurig.

Mit Salad am 11.11., 20.30 Uhr, marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg

Ähnliches gilt ja für die Dark- Wave-Szene, wo sich das eine oder andere längst als Tetra-Pak- Werbung denken läßt. Einschlägiges erwartet man da natürlich, wenn sich Rodney Orpheus (Cassandra Complex), Patricia Nigiani (Project Pitchfork, Aurora) und Marcus Giltjes (P. Pitchfork, Girls Under Glass, Sleeping Dogs Wake) zusammentun. Doch als Sun God verlassen sie statt dessen überzeugend die tiefen Trampelpfade des Gothic und suhlen sich in handgemachter Voodoo- Rhythmik, ohne auch nur ansatzweise einen auf verständnisvollen Ethno zu machen. Statt dessen nehmen sie sich dreist als Grundlage das Getrommel und lassen Nigiani ihren bekannten ätherischen Singsang darüber flöten. Vogelgezwitscher ist auch dabei. Dominierend aber doch der flotte Humpta, was Sun God zu so was wie Wald-und-Wiesen-Techno werden läßt.

Am 11.11., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Die Oyster Band ist ziemlich groß inzwischen. Man mag es kaum glauben, aber ausgerechnet diese bärtigen Jungs, die nicht nur aussehen wie Testamentsverwalter, sondern auch welche sind, was den Irish Folk angeht, schwofen ganz entspannt auf den nicht mal mehr qualmenden Überresten einer mal ziemlich fidelen Szene. Das Vorprogramm bestreitet Perry Rose, und der versucht sich zumindest an Innovation, indem er mitten zwischen das altertümliche Instrumentarium einen halbwegs flotten Gitarrenpläng setzt, der sich aber leider nicht vollständig dem totalen Popschmelz von – sagen wir mal – Aztec Camera hingibt. Die Gefahr abzustürzen war sicher riesengroß, aber so bleibt's halbgar.

Am 13.11., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Wenig bis gar nichts hat sich zuletzt im Extrem-Metal-Bereich getan. Einzelkämpfer wie Voivod sind da nur die regelbestätigende Ausnahme. Deren kleine Thrash- Opern zeigten dem Genre Entwicklungsmöglichkeiten auf, die es nur selten nutzte. Was allerdings auch verständlich war, verrannten sich die Kanadier doch selbst in ihren Ziselierungen. Allzuviel Ausdifferenzierung paßt schlußendlich wohl doch nicht zum brachialen Ausdruck, führt aber bei Voivod weiterhin zu Ergebnissen, die dich auf eine Gefühlsachterbahn mit den ständig wechselnden Stationen Kopf und Bauch mitnehmen. Die Diskrepanz zwischen Struktur und Sound, zwischen Intellekt und Dumpfheit kann immer noch für einige Verwirrung sorgen.

Mit Verve am 14.11., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln

„Fuck the system! Fuck society!“ wird hier gesungen, und das erzählt auch schon viel über die Musik. Ban Jyang kommen zwar aus England, erinnern aber eher an US-Hardcore-Kapellen, die ganz traditionell ihre Wut noch mit satt krachenden Gitarren vertonen. Ihr Name kommt zwar aus der fernöstlichen Mythologie, was allerdings der einzige fremdartige Einfluß bleibt. Das Trio spielt einen riffverliebten und melodiebewußten Punkrock, der nie ältlich klingt, aber trotzdem das gefällige Punk-Revival rechts liegen läßt. Wenn die Gitarre mal ein wenig abhängt, um dann doch hektisch japsend wieder die Fassung zu gewinnen, wird man unweigerlich an die Screaming Blue Messiahs erinnert – und das ist ja wohl kein unangenehmer Bezugspunkt.

Am 16.11., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler