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Psychiatrische EinrichtungenRegionalisieren und enthospitalisieren

■ Ambulante Einrichtungen sollen „Versorgungsauftrag“ mit übernehmen

Fast jeder Bezirk hat in einem seiner Krankenhäuser eine psychiatrische Abteilung. War früher das Land für die Unterbringung und Versorgung von psychisch kranken Menschen zuständig, soll nun der Bezirk diese Aufgabe übernehmen.

Regionalisieren und enthospitalisieren heißt das Programm, mit dem die Senatsverwaltung für Gesundheit angetreten ist die Psychiatrie zu reformieren. Bis 1997 sollen 1.500 Klinikbetten in der Psychiatrie abgebaut werden: Einsparsumme 250 Millionen Mark.

Die ambulanten und teilstationären Einrichtungen in den Bezirken sollen in Zukunft die Patienten aufnehmen. Dies stößt jedoch zur Zeit bei den freien Trägern dieser Einrichtungen wegen erheblicher Finanzierungsschwierigkeiten auf Kritik. Auch Ellis Huber, Präsident der Ärztekammer, betonte, daß diese Reform nur mit einer gesicherten Grundfinanzierung der ambulanten Einrichtungen Erfolg habe.

In ganz Berlin gibt es nur drei psychiatrische Fachkrankenhäuser: die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik (KBoN) in Reinickendorf, das Wilhelm-Griesinger-Krankenhaus in Marzahn und das St. Josef-Krankenhaus in Weißensee. Wie alle anderen bezirklichen Krankenhäuser mit einer Psychiatrie-Abteilung, haben auch die reinen Fachkrankenhäuser einen „Pflichtversorgungsauftrag“. Wird ein Patient aus Reinickendorf oder aus Wedding in einem akuten, psychisch desolatem Zustand gefunden, kommt er automatisch in die KBoN. Wohnt er aber in Schöneberg, wäre das Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK) zuständig.

Als einziges Universitätkrankenhaus hat die psychiatrische Abteilung in der Charité den „Versorgungsauftrag“ für Mitte und Prenzlauer Berg. Die anderen Unikrankenhäuser nähmen nur die Patienten, die für die Forschung interessant seien, erklärte Ute Schönherr von der Senatsgesundheitsverwaltung. Langfristig ist nun vorgesehen, daß höchstens zwei Bezirke von einem Krankhenhaus versorgt werden. Ist die akute Krise jedoch überwunden, werden die Patienten wieder nach Hause entlassen und wenn sie es wünschen ambulant betreut. Absolut geschlossene Abteilungen gibt es in Berlin nicht. In einzelnen psychiatrischen Abteilungen seien die Aufnahmeabteilungen geschlossen. Ansonsten wird nach dem Zustand der Patienten entschieden, ob er Ausgang hat oder nicht. Ist jemand suizidgefährdet oder verwirrt, wird man auf diesen Menschen besonders gut achtgeben, betont Ute Schönherr von der Senatsgesundheitsverwaltung.

Wird ein Patient ohne seine Zustimmung in eine psychiatrische Abteilung zwangseingewiesen, geschieht das nach dem Unterbringungsgesetz und muß innerhalb von 48 Stunden richterlich bestätigt werden. Michaela Eck

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