Sparwalze überrollt soziale Projekte

■ Jedes zehnte Projekt im Jugend-, Gesundheits- und Sozialbereich vor dem Aus. Verwaltung bereitet Konzepte vor

Die „gezielten Ausgabeneinschränkungen“ von Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) entpuppen sich als Sparhammer. Im Haushaltsjahr 1995 ist zwar das meiste Geld bereits ausgegeben, doch vor allem die fünf Verwaltungen für Schule, Hochschule, Soziales, Jugend und Familie sowie für Gesundheit erarbeiten derzeit Konzepte, wie im kommenden Jahr die Zuschüsse an freie Träger um ein Zehntel reduziert werden können.

Offiziell gelten die jetzt vom Finanzsenator verhängten Haushaltssperren zwar nur bis zur Bildung eines neuen Senats. Doch niemand in der Verwaltung rechnet damit, daß eine neue Landesregierung diese Sperren aufheben kann. Ohnehin müssen im nächsten Haushalt bis zu 4 Milliarden Mark eingespart werden. Da sind die jetzt vorgeschlagenen Kürzungen der Zuschüsse in dreistelliger Millionenhöhe nur Peanuts.

Das Land Berlin gibt kommendes Jahr rund 15 Milliarden Mark für Zuwendungen und Zuschüsse aus. Betroffen sind Projekte in allen Bereichen, von denen sich manche schon heute auf ihr schnelles Ende vorbereiten müssen.

Jugendstaatssekretär Klaus Löhe bestätigte auf Anfrage, daß sich seine Verwaltung aufgrund der dramatischen Haushaltslage auf Kürzungen in Höhe von rund 10 Millionen Mark vorbereitet. Diesen Sparbeitrag müssen überwiegend Drogenberatungsstellen, Jugendclubs und Freizeiteinrichtungen leisten, die bislang mit 80 bis 90 Millionen Mark bezuschußt wurden. Zwar soll die Angebotsvielfalt erhalten bleiben, sagte Löhe, doch werden „gleichartige Projekte miteinander verzahnt und vernetzt“. Im Klartext: Beispielsweise wird es weiterhin Jugendzentren geben, aber nicht mehr so viele.

Die Gesundheitsverwaltung muß von den 15 Millionen Mark Zuschüssen an „soziale und ähnliche Einrichtungen“ ebenfalls ein Zehntel sparen. Senator Peter Luther (CDU) wird mit dem Rotstift manche Aids-Beratungsstellen, Gesundheitshilfen und psychosoziale wie psychiatrische Projekte ersatzlos streichen. Andere Einrichtungen müssen damit rechnen, daß ihnen der Senator die staatlichen Gelder drastisch kürzt. Der größte Zuschußposten der Sozialverwaltung sind die Spitzenverbände und Einrichtungen der Wohlfahrtspflege, die mit knapp 75 Millionen Mark jährlich unterstützt werden. Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) steht vor der schwierigen Aufgabe, entweder jeder Einrichtung ein Zehntel der Subvention zu streichen oder statt dessen jede zehnte Einrichtung zu schließen. Auch die Zuschüsse an den Telebus für Behinderte von 3 Millionen Mark werden weiter reduziert werden.

Auch die Hochschulen bereiten sich darauf vor, daß angesichts des erwarteten Rekorddefizits von bis zu 4 Milliarden Mark in der Landeskasse ein neuer Senat die Haushaltssperre nicht rückgängig macht. Freie, Technische und Humboldt-Universität erhalten an Zuwendungen für Sachmittel über 550 Millionen Mark, von denen sie 1996 knapp 30 Millionen einsparen sollen. Ein Kraftakt. Denn wie der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Lüdtke, jüngst im Parlament warnte, haben die drei Universitäten von den bereits geforderten Etatreduzierungen in Höhe von 138 Millionen Mark erst 2 Millionen Mark erbracht. Dirk Wildt