Zwischen den Rillen
: Die dunklen Seiten des Mondes

■ Killer, Kiffer, Kapuzenmänner: Cypress Hill in den „Temples of Boom“

Wagt man schon mal einen Rückblick auf das bisherige Jahr, bleibt der Eindruck, daß HipHop 1995 hauptsächlich durch die diversen Acts des Wu-Tang Clan sowie die nimmermüden G-Funker repräsentiert wurde. Gerade noch rechtzeitig erscheint da ein neues Album von Cypress Hill, einer Gruppe, die immer dafür stand, HipHop ein weiteres Mosaiksteinchen hinzugefügt zu haben. Cypress Hill waren originär, stilbildend – und dabei auch noch supererfolgreich. Trotz nicht-afroamerikanischer Abstammung sackten sie haufenweise Credits ein und waren spätestens mit ihrem zweiten Album „Black Sunday“ zur Institution geworden, aber woran lag es nun genau?

Antwort: an der Message. Zwar war Cypress Hill nicht unbedingt eine Verfeinerung des hiphoptypischen, gemeinhin als schräg und schleppend beschriebenen, bluesig-funkigen Eiersounds gelungen, doch in Sachen Imagepflege und Botschaftsübermittlung brachen sie selbst in Kreise ein, denen HipHop sonst eher ein unbeschriebenes Blatt war. Mit „Black Sunday“ machten sie sich zum obersten Anwalt von Marihuana, seiner Verbreitung und Legalisierung, und das drückten sie nunmehr nicht nur in Lyrics und Songtiteln aus, sondern entwarfen auf dem Innersleeve des Albums noch ein 19-Punkte-Programm, das Sinn und Geschichte dieses Stoffes zu vermitteln suchte.

Das kam überall gut an, selbst Ärztekammerpräsident Ellis Huber hatte hierzulande ein paar Argumentationshilfen mehr zur Hand. Cypress Hill selbst sprachen dem Kraut in solch einem Maße zu, daß man sich als Gelegenheitskonsument schon mal fragte, wie die dabei noch wach und klar die Tage überstanden. Ansonsten huldigten sie einer Totenkopf- und Friedhofssymbolik, die vom Ästhetischen her eher an Death Metal als an HipHop erinnerte.

Auch auf dem neuen Album „III – Temples Of Boom“ geht's weiter in Richtung Gruft, steht allein schon das Cover für Dunkelheit und Düsternis: Ganz in Dunkelblau und Schwarz gehalten, sieht man einen Kapuzenmann die Stufen zu einem Tempeleingang hinaufgehen, und auch die Stücke sind nicht viel heller, freundlicher oder gar poppiger geworden.

Unverwechselbar ist die nasale Stimme von Rapper B-Real, die sich, wie es scheint, noch quengelnder als ehedem durch die Lyrics schlängelt und sich mit dem Brummelbaß des anderen Rappers, Sen-Dog, Wortgefechte um den üblichen Scheiß auf den dunklen Seiten des Mondes liefert. Und natürlich fehlt es nicht an Hinweisen, daß „everybody must get stoned“, und Leute, die ohne Dope auf einer Party auftauchen, nicht unbedingt Sympathieträger sind.

Ganz tief und bluesig-funkig geht's hinab in die Abgründe des „mainly mental-type, dust out- gangster shit“, wie DJ Muggs den Cypress-Hill-Sound gewöhnlich nennt, und man hört nun, zu allem Überfluß, auch noch Kirchengesänge der „Buddha Monks of Hamkaimea Temple“ im Hintergrund, Stimmen, die sich abwechseln mit den obligaten amerikanischen Polizeisirenen oder den üblichen Schußsalven. Selbst ein Geschmeidigkeit versprechendes Instrument wie ein Xylophon sorgt mehr für unheilvolle Töne als lichtdurchflutete Stimmungen.

Das ist vielleicht alles ein bißchen viel der bedeutungsschwangeren Düsternis, doch so wie die Beats rauh und trocken und monoton aus der Box rollen, so unbeirrt schreiben sich Cypress Hill auch mit diesem Album ins Gedächtnis ein. Fett und feist und innerlich gefestigt, wie Buddhas halt, wissen sie, was sie tun und was sie wollen. Anders als die G- Funker verweigern sich die drei den populären, Schleimspuren hinterlassenden Sounds und Melodien, versuchen sie ihre grundsätzliche Einstellung, ihr vermeintliches oder tatsächlich gelebtes Außenseitertum auch in ihre Musik miteinzubringen.

Und komischerweise sind sie dabei nach wie vor – wahrscheinlich weil sie sich so gar niemand verschließen wollen, Kunstfertigkeit zu oft vor gelebtem Dasein auch im HipHop steht – ein für jedermann und -frau erfahrbares HipHop-Modell. Anders als beim Wu-Tang Clan, deren Produktionsgenie RZA übrigens ebenfalls auf „III – Temples Of Boom“ bei einem Stück mitgetan hat, standen und stehen Reflexionen über Korrumpierbarkeit oder Verhalten zum populären Ruhm bei ihnen nicht zur Debatte, zu sehr sind Cypress Hill mit sich selbst und dem Sporten von Marihuana beschäftigt, als daß so etwas auch noch breiten Raum in ihrem Schaffen einnehmen könnte. Gerrit Bartels

Cypress Hill: „III – Temples Of Boom“ (Columbia/Sony)