■ USA: Powell läutet Zerreißprobe der „Republikaner“ ein
: Marsch durch die Partei

Man mag vom „Kriegshelden“ und „Wertliberalen“ Colin Powell halten, was man will. Doch die Entscheidung, nicht in den Präsidentschaftswahlkampf einzusteigen, ist die einzig richtige, die er mit halbwegs gesundem Menschenverstand treffen konnte. Nicht nur, weil ein solcher Wahlkampf in den USA längst eine scheußliche Angelegenheit ist, mit der man Finanzen und Familie ruinieren kann – die US-Presse hatte die ersten Berichte über die klinischen Depressionen seiner Frau schon veröffentlicht. Nicht nur, weil man mit Büchern und hochdotierten Motivationsreden über die unbegrenzten Möglichkeiten der USA vor dem „Landesverband der Reisekaufleute“ oder dem „Rotary Club“ viel mehr Geld verdienen kann als im Weißen Haus – bei gleichzeitig stark verminderter Gefahr für das eigene Leben.

Es war vor allem deshalb die richtige Entscheidung, weil die alle vier Jahre wiederkehrende Suche der Amerikaner nach einer Mischung aus nationalem Heiler und Helden ohne Haarverlust und Bauchansatz Colin Powell eine Last aufgebürdet hätte, unter der er nur hätte zusammenbrechen können. Dieses Dilemma begründet sich vor allem in der ebenso bitteren wie wahren Ironie der Geschichte, daß ein Schwarzer in den USA nur als Kandidat der konservativeren Partei eine Chance auf das Präsidentenamt hat – und aus den daraus resultierenden Erwartungen der Wähler. Weiße erhofften sich von Powell, die tiefen Risse zwischen Anglo- und Afroamerikanern mit seiner Reputation des Generals und dem Allheilmittel des Patriotismus zu kitten. Viele Schwarze, die anfangs sehr skeptisch auf ihn reagiert hatten, erhofften sich von ihm klare Worte und Schritte gegen Rassismus und für die ökonomische Wiederbelebung von Amerikas Städten. Und das als Kandidat der „Republikaner“, der Partei, die gerade die letzten Knoten des landesweiten sozialen Netzes zerschneidet.

Statt dessen hat sich Powell offensichtlich für den Marsch durch die Parteiarbeit entschieden: Er will innerhalb der „Republikaner“ die Fraktion der „Wertliberalen“ mobilisieren und damit auch der wachsenden Zahl von fiskalisch konservativen Afroamerikanern im Jahr 2000 eine politische Heimat bieten. An dem Rechtsruck des gesamten politischen Spektrums, vor allem aber an der sozial verheerenden Steuer- und Haushaltspolitik ändert das natürlich nichts. Aber es läutet womöglich jene ideologische Zerreißprobe innerhalb der „Republikaner“ ein, um die sich die Partei im Rausch ihres Wahlerfolges von 1994 bislang herumdrücken konnte. Andrea Böhm, Washington