Vulkanisches im Scherz gekühlt

■ Hamburg Oper: Harry Kupfer inszenierte Puccinis „Il Trittico“ als Kontrastprogramm

Seufz, schluchz, der gestandene Mann auf dem nächsten abgeschabten Polster bekam echte Tränen der Rührung in die Augen und versuchte sie unauffällig fortzuwischen. Was war passiert? Welcher Gefühlsdonner hatte den Mann getroffen? Mitten in der Oper, wo die hohle Pathosgeste meist zum Placebo jeder echten Empfindung wird, zündete Harry Kupfer in den Seelentiefen zweier seiner Sängerinnen ein Vulkanfeuer, das in den ersten beiden Teilen von Puccinis Il Trittico zum Ausbruch kam. Die drei Einakter, die Puccini gemeinsam konzipiert hatte, von denen aber meist nur der dritte Teil Gianni Schicchi gespielt wird, bieten in den verschmähten Dritteln Tragik der großen Gefühle, die Kupfer erfolgreich vor der drohenden Verkitschung bewahrte.

Im ersten Einakter Der Mantel, einem Eifersuchtsdrama auf einem Seine-Schipper, steigert sich Karen Huffstodt in der Rolle der sexuell unbefriedigten Giorgetta in dem spannenden Konflikt zwischen dem gutherzigen und dem geilen Mann willig und galant in die Höhen der Zerrissenheit, in die Puccinis Musik sie entführt. Gesang und Spiel stacheln sich nach dem lauen Beginn der Geschichte gegenseitig zu einer sprudelnden Haltlosigkeit leidender Sehnsucht an, die die amerikanische Sopranistin immer dort zu fesseln vermag, wo Leidenschaft in unkontrollierte Aufgeregtheit abzugleiten droht.

Diese zitternde Erotik erreicht Richard Marginson als Luigi leider nie, von dem man sich stets fragt, warum eine schöne Frau ihr Lebensglück für eine derartig blasse Rundlichkeit auf Spiel setzen sollte. Doch so unklar diese Besetzung bleibt, so stichhaltig erfüllt Franz Grundheber die windfest vertäute Eifersucht des traurigen Gatten, die im Sturm des Betruges alle Leinen kappt. Wenn Luigi im Zombielicht mit gebrochenem Genick unter seinem Mantel auftaucht, dann erreicht die Dramatik einen Schlußschock, der eigentlich zu einer Auflösung in Form einer vollständigen Oper drängt.

Statt dessen läßt Puccini monastisches Entsetzen folgen, das Kupfer ins grelle Licht eines psychiatrischen Ambientes zerrt. Sein High-Tech-Kloster mit hektisch wandernden Plexiglaswänden (Bühne: Hans Schavernoch) drängt den Blick auf einen weiteren, auf die Extreme getriebenen Konflikt. Eine selbstsüchtige Adelige und ihre empfindsame Nichte, die wegen eines unehelichen Kindes ins Kloster mußte, treffen sich zum Showdown in der leeren Welt. Miriam Gauci, die zweite der oben erwähnten Vulkane, führt die einsame Verzweiflung über den ihr hier eröffneten Tod ihres Kindes in so präzise Wendungen, daß derjenige, der jetzt keine kleinen Tränen anreisen fühlte, mal einen Arzt aufsuchen sollte.

Die Klamotte Gianni Schicchi, die nach der Pause folgte, bedarf dagegen wenige Worte. Die endlos überzeichnete Aufgeregtheit dieser vertonten Novelle konterkarierte den vorherigen Tiefsinn mit der Langeweile der billigen Scherze.

Gerd Albrecht gab sich alle Mühe, den Philharmonikern etwas italienische Impulsivität zu entlocken, was, von einigen Klanglöchern abgesehen, auch gelang. Den Abend der Sängerinnen vervollständigten Helga Dernesch als standesdünkelige Fürstin und Gabriele Rossmanith als Lauretta Schicchi. Till Briegleb