Fragen um einen Toten

■ Hamburger Flüchtlingsrat kritisiert die „Entpersonalisierung“ in Abschiebehaft

„Isolation und Entpersonalisierung“ als hauptsächliche Methode von Abschiebehaft in Hamburger Gefängnissen prangerte gestern der Flüchtlingsrat Hamburg in einer Presseerklärung an.

Am Beispiel von Esser F., der vor wenigen Tagen im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis tot aufgefunden worden war, zeigte die Flüchtlingsorganisation auf, wie dieses Prinzip auch über den Tod hinaus gilt. Denn auch fünf Tage nachdem der 35jährige Mann, der nach Belgien abgeschoben werden sollte, sich am Fensterkreuz seiner Zelle stranguliert hatte, sei noch nichts über den Toten und seine Gründe für den Suizid zu erfahren gewesen. Selbst seine Nationalität sei angeblich ungeklärt. Der Flüchtlingsrat will von den Behörden unter anderem wissen, ob Esser F. vor dem Tod in Einzelhaft saß.

Die Verantwortlichen für die Abschiebehaft in Justiz- und Innenbehörde hüllten sich in „eisiges“ Schweigen, so der Flüchtlingsrat. Die Justizbehörde habe lediglich mitgeteilt, daß sie den Fall an die Polizei weitergeleitet habe. Für die Organisation stellt sich die Frage, ob die Behörden die Namen von Abschiebehäftlingen und deren Nationalität verschweige aus Angst davor, daß anklagende Angehörige und Freunde auftauchen könnten, wie das bei dem Togoer Gibrel im April dieses Jahres der Fall gewesen sei. Nur wessen Name bekannt sei, der könne auch besucht werden, ist ihr Argument gegen die Entpersönlichung.

Außerdem herrschten „im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis so abgefeimte Besuchsregeln, daß ein Inhaftierter nur Besuch bekommen kann, wenn er Name, Adresse und Geburtsdatum des Besuchers angeben kann“, kritisierte der Flüchtlingsrat weiter. Wenn die Häftlinge telefonieren wollten, müßten sie einen Antrag stellen und erhielten erst nach Wochen eine meist negative Antwort.

Im Interesse der noch lebenden Abschiebegefangenen fordert die Organisation: „Schluß mit der Abschiebehaft und mit Abschiebungen“. taz