Briefmarken-Recycling

■ Vor dem Amtsgericht Bremen: Briefmarken präparieren und Stempelabwaschen erlaubt, Wiederverwenden nicht

Der Sport ist unter den Kids verbreitet: Man bestreicht Briefmarken mit einer Gummilösung, Uhu o.ä., dann kann der Empfänger den Poststempel mühelos abwaschen und die Marke nochmal verwenden. Besonders in informellen Disketten-Tausch-Ringen kommt dieses Verfahren zur Anwendung. Einwände hat allerdings die Post. Manchmal stellen Briefträger den verräterischen Schimmer auf der Briefmarke fest. Wenn die Anschrift des Täters auf dem Brief steht, kommt es zur Anzeige. Strafbefehle über ein paar hundert Mark sind die Folge. Zwei mutmaßliche „Wertzeichenfälscher“ standen gestern vor dem Bremer Amtsgericht, weil sie die Strafe nicht zahlen wollten. Ihr Widerspruch hat sich gelohnt: Obwohl das Gericht die wortreichen Erklärungen des einen Angeklagten für „Schutzbehauptungen“ hielt, wurde er freigesprochen. Die zweite Angeklagte kam mit einer geringen Geldstrafe davon. Wenn ihr Anwalt sie nicht schlecht beraten hatte, wäre auch sie freigesprochen worden.

Dunkel blieb der Fall des Mike-Olaf R. (32). Dem hat die Post 1994 vierzig Briefe mit präparierten Briefmarken nachgewiesen. Ihm war ein Strafbefehl von 651 Mark zugegangen. Der Angeklagte wies alle Vorwürfe entrüstet zurück: Niemals klebe er selbst Briefmarken auf Briefe, das überlasse er dem Postamt oder gewissen Freunden, denen er die Briefe mitgebe.

Eigenartig auch die Geschichte der Marion W. (32), die offenbar zu einem Fanclub gehört, der Stars mit Briefen bombardiert. Ihr konnten drei Briefe mit behandelten Briefmarken nachgewiesen werden, einer zum Beispiel an Charles Bronson, USA. Was amerikanische Stars mit wiederverwendbaren deutschen Briefmarken anfangen sollen, konnte das Verfahren nicht aufklären. Frau W. gab an, sie habe die Briefmarken sicherheitshalber zusätzlich mit Uhu festkleben wollen. Warum der Klebstoff dann auf die Marken und nicht darunter geriet, blieb schleierhaft.

Der Augenschein sprach gegen die Angeklagten. Da erhob Staatsanwältin Suttarp die Stimme: Das Verkleistern von Briefmarken „ist meines Erachtens noch kein Versuch der Wertzeichenfälschung nach § 148, Abs.2 StGB.“ Selbst das Entfernen des Poststempels sei straffrei. Man könne ja auch nicht den wegen geplanten Einbruchs verurteilen, der mit einer Werkzeugkiste vor einem Haus stehe. Die Wiederverwendung einer schon einmal gestempelten Marke sei aber den Angeklagten nicht nachzuweisen. Freispruch!

Richterin Göhrs folgte in ihrem Urteil der Staatsanwältin, obwohl Bremer Gerichte sowie das OLG Koblenz in entsprechenden Fällen anders entschieden haben. Freispruch für Mike-Olaf R.; 10 Tagessätze a 15 Mark für Marion W., die nur gegen die Höhe der Strafe Widerspruch eingelegt hatte.

Auf der Zuschauerbank saß derweil Herr Antelmann und kaute Schaum. Der Pressesprecher der Gelben Post sieht mit dem (rechtskräftigen) Bremer Urteil (Antelmann: „Das macht Justizgeschichte!“) die Möglichkeiten der Post schwinden, gegen diesen „zweifelhaften Sport“ vorzugehen. Die paar Fälle, die wirklich vor Gericht kämen, seien nämlich nur „die Spitze des Eisbergs“. BuS