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: Abgefahren

„Einheit von unten“ (Do., 22.15 Uhr, West 3)

Gibt es im Jahre sechs der Wiedervereinigung statt stotternder Deutsch-Deutscher jetzt ganz normale Bürger? Der WDR wagte, was sonst nur Komödienschreibern einfällt: Er ließ eine Wessi- und eine Ossi-Familie für eine Woche ihr Leben tauschen – samt Wohnung, Auto und Job. Frau Unger aus Köln kam Ostberlin am Anfang „irgendwie wie Ausland“ vor. Die spontane Frau Lehmann aus Treptow war anpassungsfähiger: Ihre neue Chefin hatte gleich „das Gefühl, wir kennen uns“.

Im Stil eines halbernst gemeinten, fünfzehnminütigen Polit-Clips agitieren die Reporter Dirk Kämper und Ralf Jung gegen „die Einheitsbremse Vorurteil“. Damit sich auch genug Antikörper gegen die schlechte Stimmung bilden können, traktieren sie ihr Publikum erst mal kräftig mit – Vorurteilen. „Ist das Warenangebot wie bei uns so?“, grübelt Herr Unger vor dem Ost-Supermarkt. Und der kleine Lehmann- Sohn kriegt Nachhilfe von den Mitschülern: Wenn zwanzig Leute für drei Bananen anstehen, „das ist wie Nachkrieg“. Frau Unger ist verstimmt, weil sie das Bad zwei Stunden mit Briketts vorwärmen muß. Herr Lehmann propagiert beim Kölsch die gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Solibeitrags, während Herr Unger in der Ost-Kneipe von den jetzt über die Grenzen einwandernden Einbrechern hört.

So verkommt das spannende Experiment zur wahllosen Montage von Genre- Bildern, wobei die O-Töne oft noch kürzer sind, als in der „Tagesschau“. Im atemlosen Abfilmen des Alltags blieb jeder ruhige Gedanke auf der Strecke. „Mit Vollgas in den Einheitstest“, versprachen die Autoren, doch es war eher eine zermürbende ICE-Tour übers marode Reichsbahn-Schienennetz. Dieter Deul