Von exklusiver Moral

Arminia Bielefelds Manager Rüdiger Lamm fordert Loyalität von den örtlichen Medien  ■ Aus Bielefeld Jörg Winterfeldt

An seinen Coup im vorletzten April erinnert sich Rüdiger Lamm noch immer mit Entzücken. Zwischen den Kühlschränken und Elektroherden eines Sponsors ließ der Manager von Arminia Bielefeld damals die Medien antreten, zum ersten Mal nach vielen bedeutungslosen Jahren im Oberliga-Einerlei auch die überregionalen. Dann veranlaßte er den Einmarsch seiner Sensationsverpflichtungen von Heesen, Eck, Walter und Bode, einzeln und wohlinszeniert. Vereinsgeschichte wurde geschrieben, der Küchenverkäufer, in dessen Räumlichkeiten das Spektakel stattfand, „profitiert noch heute davon“, freut sich Manager Lamm (46), obwohl der allseits als Hauptfinanzier kolportierte Unternehmer in dieser Saison lediglich 60.000 Mark zum Elf-Millionen- Etat des Zweitligisten beisteuerte. Der Ruhm des Kleinsponsors erhält weiteren Schub, indem der Manager gelegentlich auf angebliche Küchenvermittlungsquoten seines Stars Thomas von Heesen hinweist – für den verärgerten Mittelfeldregisseur, dessen Vertrag derartige Aktivitäten nie vorsah, ein reiner „Marketing-Gag“. In den Medien halten sich jedoch hartnäckig die Geschichten über „von Heesen als Küchenverkäufer“ (Sport-Bild).

Auch für den Rundfunkjournalisten Ulrich Zwetz bedeuteten jene April-Tage einen Triumph. „Wir“, sagt Zwetz vom lokalen Sender Radio Bielefeld stolz, „haben die Information als erste gemeldet.“ Inzwischen ist der Mann, der fast alle Spiele der Arminia live kommentiert, zum jüngsten Opfer der eigentümlichen Medienpolitik des ostwestfälischen Fußballklubs geworden. Stellvertretend für die Mannschaft lehnte Kapitän von Heesen jüngst die Einladung zu einer Hörerfragestunde mit dem Verweis auf „die schlechte Berichterstattung“ ab. Der Manager seinerseits berichtet in der wöchentlichen Pressekonferenz von guten Vorverkaufszahlen für das Spitzenspiel gegen Bochum in zwei Wochen, „trotz der negativen Kommentierungen von Radio Bielefeld“. Derartiges Sticheln betreibt er mit System. Zu oft, schimpfte Lamm nach dem 2:0 gegen Mainz, habe Zwetz von einer „katastrophalen Leistung“ gesprochen, zu kritisch seien seine Fragen nach Spielschluß gewesen, obwohl man doch bitte schön gewonnen habe.

Der Radiomann Zwetz befindet sich in der ihm vom Verein zugewiesenen Ecke der „Neider“ (Lamm) in illustrer Gesellschaft. So gerne Manager Lamm sich auf dem Bundesliga-Trip für seine harte Arbeit und das viele Geld feiern läßt, so sehr er sich selbst gerne flapsiger Ironien bedient und um so rasanter er sich seinem Ziel „erste Bundesliga“ nähert, desto dünner scheint seine Haut zu werden.

Seit die regionale Tageszeitung Westfalen-Blatt für die Trikotsponsorschaft etwa 1,5 Millionen Mark hinblättert, „herrscht Zeitungskrieg“ in Bielefeld (Focus). Lamm sieht sich „moralisch verpflichtet“, zuweilen Informationen an den Geldgeber exklusiv herauszugeben. Den Geschäftsführer der Gazette ließ der clevere Manager gar in den Aufsichtsrat wählen, und wenn eines von dessen Mitgliedern ihn zu internen Vorgängen befrage, dürfe er doch auf keinen Fall die Antwort verweigern, legitimiert Lamm den Informationsvorsprung mit der Vereinssatzung. Andererseits achtet der Großsponsor sorgsam auf den positiven Imagetransfer: Selbst die Fachzeitung Journalist verdächtigte das Westfalenblatt wegen „spürbarer Arminenfreundlichkeit“, seine „journalistische Unschuld zu verlieren“. Da kommt es Lamm äußerst päßlich, daß der Arminia-Redakteur der Zeitung gleichzeitig mit Artikeln im Kicker Meinung machen kann.

In ihrem Bemühen um einen objektivierenden Ausgleich setzt sich die konkurrierende, auflagenstärkere Neue Westfälische regelmäßig dem Unmut des Managers aus, weil hier auch Kritik stattfindet. Wegen „unsachlicher Berichterstattung“ bleiben da schon mal Redakteure von Pressekonferenzen oder Heimspielen ausgeschlossen. Besonders groß geriet der Zorn unlängst, da die Tageszeitung im Vertrauen auf Informanten angebliche Vertragsgespräche mit zwei Spielern, darunter dem Noch- Leverkusener Bernd Schuster, vermeldete. „So ein Unsinn“ verunsichere die Mannschaft, fluchte Lamm, der von der örtlichen Presse „Loyalität“ fordert. Als jedoch die Neue Westfälische, wie über hundert andere Firmen, Lamms Sponsorpool beitreten und mit 10.000 Mark helfen wollte, lehnte der Geschäftsmann ab.

Während er auf der Höhe seiner Gefühle bereit ist, die zweite Liga öffentlich als „Durchgangsstation“ zu titulieren, verweist Lamm bei tristen Anlässen stets darauf, noch in der letzten Saison „mit einem Bein in der Bezirksliga“ gestanden zu haben. Für unabdingbar hält er weniger krasse Emotions-Amplituden in der Berichterstattung. „Ich bin doch auch nicht gleich im Himmel“, bekundet der Erdenbürger Lamm dezidiert, „wenn in Mannheim jeder Schuß von uns ein Treffer ist.“