Who's that boy? Der James Dean der gebildeten Stände

Wie viele Glenn-Gould-Gedächtnisprodukte gibt es eigentlich? Alle naslang kommt was, ein Film, eine Biographie, eine Radio-Mammutserie, und jetzt schon wieder Schirmer/Mosel mit gleich zwei nicht unopulenten Folianten, für die wir uns im Namen der bildungsbeflissenen Großtanten („Ich liiiiebe Gould!“), die sie schon sehr, sehr bald nach dieser mit leichter Hand hingeworfenen Kurzbesprechung unter dem Gabentisch vorfinden werden, recht herzlich bedanken wollen. Wenn Mozart nämlich der Verdi Wagners ist (Eckhard Henscheid), trifft nicht nur im vollen Maße zu, was Truman Capote über Gould gesagt haben soll – „Glenn Gould ist der Marshall McLuhan des Konzertpodiums“ –, er ist auch so etwas wie die Imagewerdung des postlisztschen Boy-Virtuosen, anders formuliert: Glenn Gould ist der James Dean der gebildeten Stände. Daß etwas in ihm auch objektiv der Bildbandwerdung entgegengearbeitet hat, ist in aller manieristischen Pracht in der von Attila Csampai herausgegebenen Sammlung („Glenn Gould. Photographische Suiten“. S/M, 175 Seiten, 98 DM) zu studieren, deren Einleitungsessay dem Vergleichswahnsinn um Gould im übrigen noch ein Steinchen hinzufügt („Glenn Gould, der Mystiker des kybernetischen Zeitalters“).

Ikonenförmiger, weil auf das junge Genie konzentriert, ist Jock Carrols „Glenn Gould. Einige Portraits des Künstlers als junger Mann“ (S/M, 96 Seiten, 49,80 DM). Man sieht Gould als Prä- Acid-Jazzer mit Existentialistenkappe, als schwindsüchtiges Genie, Strandwandler, Luftgitarrenspieler oder Dirigenten imaginärer Orchester – ein Poser, wie er im Buche steht. Toll auch der Erinnerungstext des Photographen, weil er Gould mit der Distanz des Country-Music-Liebhabers begegnet: „Was die Passagiere sich beim Anblick dieser seltsamen Gestalt dachten, weiß ich nicht. Münzen warf jedenfalls niemand.“ tg

Foto: aus dem bespr. Band