Grams Eltern wollen Klage erzwingen

Der Tod des früheren RAF-Mitglieds in Bad Kleinen soll jetzt vor Gericht untersucht werden. Eltern akzeptieren Selbstmordtheorie nicht. Rundumobservation der Anwälte?  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Über zwei Jahre nach der gescheiterten Polizeiaktion von Bad Kleinen soll jetzt erstmals ein Gericht die ungeklärten Todesumstände des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams untersuchen. Einen entsprechenden Antrag auf „Klageerzwingung“ reichten gestern die Eltern des Getöteten beim Oberlandesgericht Rostock ein. Diesen vermutlich letzten Aufklärungsversuch unternimmt das Ehepaar Grams, nachdem der Generalstaatsanwalt Mecklenburg-Vorpommerns, Alexander Prechtel, ihre Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen im Oktober abgewiesen hat.

„Die Eltern von Wolfgang Grams wollen sich mit der staatlich verordneten Selbstmordversion über ihren Sohn nicht abspeisen lassen“, erklärten gestern deren Anwälte Andreas Groß und Thomas Kieseritzky. Entgegen den „offen zutage liegenden Tatsachen“ halte die Staatsanwaltschaft weiter daran fest, Grams habe sich am Ende einer wilden Schießerei mit Beamten der GSG-9 auf dem Bahnsteig von Bad Kleinen selbst durch einen Kopfschuß getötet.

Dafür, daß dem so war, gibt es bis heute keinen Augenzeugen, obwohl mehrere Dutzend Beamte entweder direkt an der Schießerei beteiligt waren oder den Vorgang aus mittlerer Entfernung observierten. Dagegen wollen eine Kioskverkäuferin und ein anonymer beteiligter Beamter eine regelrechte Exekution des bereits wehrlos auf den Gleisen liegenden Grams beobachtet haben. Bereits im letzten Jahr hatte der Düsseldorfer Rechtsmediziner Wolfgang Bonte in einem Gutachten für die Eltern Grams der These der Staatsanwaltschaft widersprochen, daß eine Fremdtötung des RAF- Mitglieds auszuschließen sei.

Die Grams-Anwälte sind offenbar schon seit mindestens 13 Monaten Objekt eines verdeckt arbeiteten staatlichen Observationstrupps. Nach ihren Angaben wurde die Wiesbadener Anwaltskanzlei von Groß aus einer gegenüberliegenden Wohnung mit Videokamera, Fotoapparat und Richtmikrophon beobachtet. Nach einem entsprechenden Hinweis hatten die Anwälte am Montag telefonisch den Hessischen Rundfunk informiert. Daraufhin seien die Installationen überstürzt abgebaut und in Kartons verborgen abtransportiert worden. Da die Transporteure nur zwei Stunden nach der Kontaktaufnahme mit dem Rundfunksender zur Stelle gewesen seien, müsse auch von einer „direkten Telefonüberwachung“ ausgegangen werden, erklärten die Anwälte. Ein Sprecher des Bundeskriminalamts erklärte auf Anfrage der taz, er möchte den Lauschangriff weder bestätigen noch dementieren.