Eine „Schreibtisch-Polizei“ ohne rechtliche Grundlage

■ Europol ist bisher nicht mehr als eine Ansammlung von 15 Außendienststellen nationaler Polizeibehörden. Die Beamten hängen an nationalen Polizeicomputern

Vor knapp fünf Jahren, im Maastrichter Vertrag, beschlossen die EU-Regierungen, eine Europolizei aufzubauen. Seitdem streiten sie darüber, wie die aussehen soll. Europäische Polizisten, die nach Art des amerikanischen FBI in der ganzen EU herumreisen, nachforschen und festnehmen dürfen, wie das unserem Bundeskanzler vorschwebt, wird es in diesem Jahrhundert sicher nicht mehr geben. Vor allem Frankreich und Großbritannien sträuben sich gegen die Vorstellung, daß europäische Beamte in die nationale Polizeihoheit eingreifen dürfen.

Worauf sie sich bisher einigen konnten, war der Aufbau einer Drogeneinheit im niederländischen Den Haag, wo seit Anfang 1994 rund 80 Beamte der nationalen Polizeibehörden Informationen austauschen. „Eine reine Schreibtisch-Polizei“, wie der deutsche Leiter der Einheit, Jürgen Storbeck, einräumt: In 15 getrennten Räumen sitzen die nationalen Beamten vor ihren Bildschirmen, die an den jeweiligen nationalen Polizeicomputer angeschlossen sind. Wenn dann beispielsweise die spanischen Behörden Auskunft über einen deutschen Drogendealer suchen, dann geht der spanische Europol-Beamte zu seinem deutschen Kollegen, der im deutschen Computer nachschaut und dem Spanier die Informationen steckt.

Europol ist bisher nicht mehr als eine Ansammlung von 15 ausgelagerten Teilen der verschiedenen Behörden aus den EU-Mitgliedsländern, die Informationen austauschen. Um die Daten in einem gemeinsamen Computer zu speichern, fehlt die Rechtsgrundlage. Zwar haben die 15 Regierungschefs auf dem letzten EU-Gipfel in Cannes eine Europol-Konvention beschlossen, aber die muß erst noch von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden. Und danach sieht es vorerst nicht aus.

Denn die Konvention, die von Helmut Kohl gegen alle Widerstände durchgepaukt wurde, hat ein paar entscheidende Lücken. Sie regelt zum Beispiel nicht, welches Gericht im Streitfall zuständig ist. Da es sich bei Europol um eine Europäische Einrichtung handelt, müßte der Europäische Gerichtshof damit befaßt werden. Doch die britische Regierung will auf keinen Fall zulassen, daß die Luxemburger Richter weitere Kompetenzen bekommen. Weil Kohl in Cannes um jeden Preis ein Ergebnis wollte, wurde die zentrale Frage der Gerichtszuständigkeit einfach ausgeklammert. In der Konvention steht nun, daß Europol einen zentralen Computer mit Personendaten aus allen Mitgliedsländern einrichten soll und die Aufgabenbereiche auf Nuklearschmuggel, Menschenhandel, Autoschieberei und Geldwäsche ausgeweitet werden.

Einige Parlamente, vor allem das dänische, haben klipp und klar gesagt, daß sie die Konvention nicht ratifizieren wollen, solange die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes nicht geklärt ist. Und solange kann Europol auch nicht anfangen zu arbeiten. Die Vorbereitungen laufen trotzdem. Verschiedene Arbeitsgruppen sind dabei, festzulegen, welche personenbezogenen Daten nach Den Haag übermittelt werden, wie sie aufgeschlüsselt und weitergegeben werden sollen.

Im Europol-Haus in Den Haag hat man sich darauf eingestellt, auf absehbare Zeit erst einmal so weiterzumachen wie bisher, mit nationalen Computeranschlüssen in getrennten Räumen. Immerhin hat die Drogeneinheit bisher mehr als 800 Fälle bearbeitet. Die Zusammenarbeit erspare vor allem kleineren Ländern, so der Leiter Jürgen Storbeck, im Ausland mit eigenen V-Leuten zu arbeiten. Auch ohne einen gemeinsamen Zentralcomputer sei der Informationsaustausch zudem deutlich schneller geworden. Auf dem üblichen Dienstweg mit seinem bürokratischen Aufwand und nicht selten unüberwindlichen Übersetzungsproblemen hätten Anfragen an ausländische Dienststellen meist 10 bis 14 Tage in Anspruch genommen. Bei Europol in Den Haag kommt die Antwort in einigen Stunden. Alois Berger, Brüssel