Voscherau will HEW behalten

■ SPD-Parteitag verabschiedet Kompromißvorschläge in Sachen HEW-Verkauf und Bezirksverwaltungsreform

Angesichts der dramatischen Finanzlage Hamburgs – laut Stadtchef Henning Voscherau „ist die Zahlungsfähigkeit der Stadt schon Mitte 1996 gefährdet“ – beschloß der SPD-Parteitag, „bisherige Grundsatzpositionen aufzugeben“. Die GenossInnen gaben grünes Licht für den Verkauf städtischer Unternehmen und „weitere schmerzhafte Eingriffe in die gesamte Leistungspalette“.

Mit einer großen Ausnahme: Der Senat darf sich allenfalls von bis zu 25 Prozent der HEW-Aktien trennen und muß in einem umfangreichen Vereinbarungskatalog mit potentiellen HEW-Einsteigern Atomausstieg und eine ökologisch ausgerichtete Energiepolitik festschreiben. Mit diesem Beschluß setzte sich ein von Voscherau gesteuertes Rechts-Links-Bündnis gegen Parteichef Jörg Kuhbier und Finanzsenator Ortwin Runde durch, das freie Hand in Sachen HEW-Verkauf angestrebt hatte.

„Hamburg wird im Jahr 2000 vielleicht nicht mehr über 75 Prozent der HEW-Anteile verfügen, aber mehr als 50,1 Prozent werden es aller Voraussicht nach sein. Wir können ein Unternehmen nicht für einen Preis verkaufen, der deutlich unter dem Wert seiner stillen Reserven liegt. Das würde ich schon persönlich verhindern“: Während Henning Voscherau am Rande des Parteitages im Gespräch mit der taz solchermaßen Klartext redete, lief im Saal ein rührseliger Schaukampf um die zukünftige Energiepolitik Hamburgs ab.

Urplötzlich fanden sich da die SPD-Linken aus Eimsbüttel, Altona, Harburg und Bergedorf mit ihrem Nein zum HEW-Verkauf in ungewohnter Kooperation mit dem rechten Wandsbeker Umweltsenator Fritz Vahrenholt, der mahnend rief: „Wer hier seinen Einfluß aufgibt, der handelt gefährlich. Eine Sperrminorität von 25 Prozent reicht zur Sicherung einer umweltbewußten Energiepolitik nicht aus!“ Jörg Kuhbier dagegen, einst noch heftiger HEW-Verteidiger gegen die Veräußerungspläne unter Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, focht Seite an Seite mit Runde für einen HEW-Verkauf.

Mit 129 zu 106 Stimmen entschied der Parteitag schließlich, einen Mehrheitsverkauf der HEW zu stoppen. Erfolgreich um Fassung bemüht witzelte Ortwin Runde anschließend im kleinen Kreise, er verstehe diese Herzensentscheidung des Parteitages zwar, die Finanzlöcher der nächsten Jahre müßten allerdings gestopft werden.

Der Verkauf von Stadtvermögen reicht allerdings dazu nicht aus: Die Verfassungs-, Parlaments- und Verwaltungsreform, vom Senat 1993 vollmundig versprochen, müßte endlich umgesetzt werden. Doch für derartige Debatten fehlten dem Parteitag Lust und Zeit. Es recihte gerade noch, eine Fülle von Abänderungsvorschlägen zum Senatsentwurf in Sachen Bezirksverwaltungsreform „als Material für die weitere Debatte“ zu beschließen. Altonas Bezirksamtsleiter Strenge zur taz: „Es scheint nicht ausgeschlossen, daß der Senat am Ende seinen Entwurf zurückzieht und gar nichts passiert.“

Enttäuscht verließ auch Hamburgs IG Metall-Chef Klaus Mehrens den Parteitag. Eigentlich hatte er die Delegierten auffordern wollen, nach vorne zu schauen und eine Technologiestiftung zu beschließen, um endlich auch „Gestaltungspolitik statt Mängelverwaltung“ zu demonstrieren. Doch er verzichte auf seinen Beitrag. Übrigens: In Bayern hat die CSU ihre Milliardenerlöse aus Privatisierungen nicht in Haushaltslöchern verbuddelt, sondern fast komplett in einen Technologie- und Modernisierungsfonds eingebracht, aus dem die Südlichter heute innovative Projekte finanzieren, von denen einige sogar den Beifall der Grünen fanden. Florian Marten