■ Sportärzte gegen Kopfschläge: KO dem Profiboxer
Elf Länder nahmen an einem zweitägigen Kongreß teil, der gestern in Bremen zuende ging. Dabei traf sich die nordwesteuropäische Sektion der FIMS (Federation Internationale des Medecins du Sport), mit 108 Nationen der größte Ärzteverband der Welt. Das NWEC (North-West-European-Chapter) behandelte dabei schwerpunktmäßig die medizinische Problematik des Boxsports und distanzierte sich am Ende des Kongresses einheitlich „von allen Sportarten, deren Ziel es ist, vitale Funktionen außer Kraft zu setzen“. Gleichzeitig erkennt jedoch das NWEC den sozialpsychologischen Wert des Amateurboxsports an. Die taz sprach mit dem Bremer Sportarzt Dr. Wolf Rieh, Vizepräsident des Deutschen Sportärztebundes.
taz: Würden Sie sich bei einer Boxveranstaltung als Ringarzt zur Verfügung stellen?
Wolf Rieh: Das ist eine Entscheidung, die jeder Arzt individuell treffen sollte. Ich würde es bei einer Profi-Boxveranstaltung nicht tun, denn beim Profiboxen ist der Verlust der körperlichen Vitalfunktionen Ziel des Kampfes. Es geht um den KO-Schlag durch Schläge an den Kopf oder durch Treffer, die andere Organsysteme schädigen, wenn auch nur kurzfristig. Wir wissen, daß dabei langfristig Schäden zum Beispiel am Gehirn entstehen. Beim Amateurboxen, wo erhebliche Schutzvorkehrungen getroffen wurden, würde ich mich als Ringarzt zur Verfügung stellen. Der Amateurboxsport hat sehr viel in den letzten Jahren getan, um den Schutz seiner Boxer zu garantieren.
Aber auch beim Amateurboxen geht es darum, die Gesundheit des Gegners zu beeinträchtigen.
Aber dort ist die Zahl der Zwischenfälle durch die Schutzmaßnahmen sehr gering. Zum einen wurde da der Kopfschutz eingeführt, wobei noch Untersuchungen darüber laufen, ob der Kopfschutz wirklich als solcher zu sehen ist, oder ob er nicht möglicherweise durch sein Gewicht Schäden verstärkt. Zum anderen bietet eine Veränderung des Regelwerkes im Amateurboxsport einen deutlichen Schutz der Boxer. Zum Beispiel sind die Handschuhe leichter, und die Ringrichter sind gehalten, Kämpfe vorzeitig abzubrechen, wenn erkennbar wird, daß einer der Athleten deutlich geschädigt ist.
Glauben Sie, daß sich die Forderung des Kongresses, beim Boxen Schläge an den Kopf zu vermeiden, durchsetzen wird, während doch das Boxen immer brutalere Formen annimmt, weil genau das beim Publikum ankommt.
Das Boxen ist sicherlich ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Hier spielen viele Interessen hinein, und wir sehen uns als Mahner in der Wüste. Es ist natürlich schwer, jetzt spektakuläre Ergebnisse vorzulegen, die ein Ende des Berufsboxsportes einleiten. Aber wir können doch versuchen, eine Lobby zu bilden, auf die medizinischen Resultate hinzuweisen und an die Vernunft zu appellieren.
Was geschieht jetzt mit den hier erhobenen Forderungen?
Die werden zunächst innerhalb der FIMS den anderen Ländern vorgestellt, sodaß einheitliche Forderungen in allen Ländern bestehen. Zweitens dienen diese Forderungen natürlich zur Stärkung innerhalb eines Landesverbandes. Wenn wir zum Beispiel mit den jeweiligen Gesundheitspolitikern verhandeln, dann ist es hilfreich, wenn wir mit unseren Ergebnissen auf die europäischen Nachbarn verweisen können.
Fragen: Dora Hartmann
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