Fücks: Bremen stößt an seine Grenze

■ CDU- und SPD haben die Koalitionskrise um die Zukuft Bremens unter den Teppich gekehrt / Kritiker Fücks: Die Investitions-Milliarden des ISP werden nicht zu dem erhofften Boom führen

Die erste handfeste Auseinandersetzung zwischen den Fraktionschefs und Koalitionären haben Christian Weber (SPD) und Ronald-Mike Neumeyer (CDU) am Samstag in einerm zweistündigen Gespräch beigelegt. Im Anschluß an das Treffen jedenfalls betonten beide, es gebe keine Koalitionskrise. Die aufgetretenen Unebenheiten seien geglättet, man wolle in Zukunft öfter miteinander reden.

Anlaß für die Unruhe im rot-schwarzen Bündnis war eine Aussage Webers am Donnerstag in der Bürgerschaft gewesen, wegen der großen Steuerverluste und der Konjunktureinbrüche in den vergangenen Jahren die Milliarden-Neuverschuldung zu überdenken und deshalb die einzelnen Elemente des geplanten Investitionssonderprogramms (ISP) auf den Prüfstand zu stellen. Das hatte bei der CDU dazu geführt, die Unterschrift unter einen Vertrag für den (weitgehend aus Bonn finanzierten) Ausbau der Straßenbahnlinie 4 zu verweigern.

Der ISP-Topf enthält 4,8 Milliarden Mark, verteilt auf zehn Jahre. Für diesen Zeitraum ist auch das Sanierungsprogramm für Bremen angelegt. Das ISP-Geld soll unberührt von den Sparmaßnahmen für Projekte zur Ankurbelung der Wirtschaft verwendet werden. Neumeyer und Weber berichteten, sie hätten sich allerdings darauf verständigt, alle Projekte einer intensiven Kostenkontrolle zu unterziehen. Das ISP sei aber Bestandteil des Koalitionsvertrages.

Ein „Formelkompromiß“, kommentierte der Grünen-Oppositionssprecher Ralf Fücks: Das, was der SPD-Politiker Weber verlangt habe, bleibt als „Hintertür“ dennoch offen. Schon wenn man einzelne der Großinvestitionen zeitlich hinauszögere, würde die Neuverschuldung geringer ausfallen. „Alle, die das Zahlenwerk kennen und die nicht an die Propaganda des großen wirtschaftlichen Aufschwungs als Folge des ISP glauben, müssen jetzt auf die Bremse treten. Sonst verschwindet die Chance, vom Bremer Schuldenberg etwas zu tilgen, im Nebel.“

Für das blinde Festhalten des Duos Scherf/Nölle an der 4,8-Milliarden-Planung gibt es für Fücks nur eine rationale Erklärung: „Jetzt auf Teufel komm raus investieren, weil man sowieso nicht weiß, wie es mit Bremen weitergeht“. Der größere Teil der Neuverschuldung fällt formal beim Land an, nicht bei der Stadtgemeinde, und würde bei einer Neugliederung der norddeutschen Bundesländer nicht an Bremen hängen bleiben.

Inhaltlich sei das, was jetzt als Innovation finanziert werden soll, ein „Wunschdenken“ aus den 60er und 70er Jahren, meint Fücks. Keine seriöse Prognose zu den geplanten Investitionen gibt es, keine Kosten-Nutzen-Kalkulation. Die Logik des Investitionssonderprogramms will das Wachstum „mit dem Prinzip Hoffnung erzwingen“.

Fücks hält dagegen: „Für die Zukunft Bremens sind Forschung und Entwicklung wichtiger als Tiefbau. Wichtiger als die dritte Spur der Autobahn ist der Zugang zu den Datenautobahnen.“

In einem grünen-internen Argumentationspapier (das die taz am kommenden Samstag, 18.11. dokumentiert) schreibt Fücks: „Es ist heute schon klar, daß dieser Boom so nicht eintreffen wird. Vom ISP in seiner heutigen Dimension und Struktur werden vor allem die Schulden und Zinsen bleiben, die den Handlungsspielraum in der Zukunft immer enger machen.“ 350 Millionen zusätzlicher jährlicher Zins-Last sind die Folgen dieses ISP. „Das ISP sollte deshalb halbiert“ und auf qualitative Wachstums-Faktoren konzentriert werden, sagt Fücks.

Die aktuelle Finanz-Debatte führt den ehemaligen Umweltsenator zurück auf ein altes grünes Thema: „Jahrelang haben wir von den Grenzen des Wachstums geredet - jetzt ist es soweit. Nicht nur die ökologischen Belastungsgrenzen des Globus sind überstrapaziert – auch die Grenzen des finanzpolitisch Machbaren in der Bundesrepublik sind überschritten. Bremen ist bloß unfreiwilliger Vorreiter einer Entwicklung...“

Der Hemelinger Tunnel ist auch für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Weber ein Kristallisations-Projekt für den Zwiespalt. Bei ihrem Besuch erklärten die Mercedes-Manager am Freitag den Sozialdemokraten, daß nach den Planungen bis zum Jahre 2000 das Bremer Werk gut ausgelastet wird, es wird hier mehr produziert. Die Verkehre werden also noch zunehmen. Die Zahl der Arbeitsplätze wird aber nicht steigen. Der 560-Millionmen-Block aus dem ISP für den vor 15 Jahren versprochene Hemelinger Tunnel wird bestehende Arbeitsplätze sichern helfen, aber keinen positiven Beitrag zu den Zielen des Investitionssonderprogramms leisten. Der Etikettierung „Altlast“ mochte deshalb auch Bürgermeister Scherf zustimmen. K.W.