Wenn Roboter Häuser bauen

Vollautomatische Bauroboter auf Gespensterbaustellen ziehen in Japan Büros und Wohnhäuser hoch. Der Robobau ist in Berlin keine Fiktion mehr, doch Architekten fürchten sich. Ein Tagungsbericht  ■ von Rolf Lautenschläger

Sie streiken nicht, benötigen keine Sozialleistungen. Sie arbeiten schnell und billig, sozusagen zum Nulltarif, in drei Schichten rund um die Uhr. Sie sind der Traum eines jeden Unternehmers und bilden den Alp der Gewerkschaften. Sie beflügeln die Phantasie seit der Renaissance über die Romantik und „Modern Times“ bis in die Zukunftswelten. Nichts scheint unmöglich – mit Automaten, Maschinenmenschen, Robotern, rechnergestützten Greifarmen und Computerreplikanten.

Der Traum vom Automaten, der in wunderbarer Perfektion oder monsterhafter Destruktion komplexe Arbeitsvorgänge ausführt und den menschlichen Faktor zum Nichtstun verdammt, könnte in den nächsten Jahren auch auf den Baustellen immer mehr Kontur annehmen. Bauroboter statt Bauarbeiter, sagte Thomas Bock am Wochenende auf einem Symposion „Forum Zukunft Bauen“, würden dann das Fundament gießen, Mauern hochziehen, Decken, Böden und Fenster einpassen. Schließlich bemalten die programmierten Automaten, meinte der Professor für Robotik an der Universität Karlsruhe, die Wände in der vom Mieter gewünschten Farbe und richteten die Wohnung ein.

Was in der Friedrichstraße heute noch mühsam zusammengesetzt wird, haben in Tokio zum Teil die Roboter schon übernommen. „Die vollautomatische Baustelle ist dort seit zwölf Jahren bereits Realität“, sagte Bock. Es gebe in Japan mehrere Systeme für „Gespensterbaustellen“, weil mit dieser Technologie „wirtschaftlicher, kostengünstiger, schneller und flexibler gebaut werden kann als auf herkömmlichen Baustellen“.

Der Untergang der Baukunst und der Gang für Architekten und Bauarbeiter zum Arbeitsamt scheint in Japan unaufhaltsam, setzt sich die Entwicklung und Produktion der Roboterhäuser durch. Wurden in den 70er und 80er Jahren Raumzellen und Fertighäuser im Dreiminutentakt am Fließband mit bis zu 350.000 Einzelteilen produziert – 1992 waren es noch 288.598 Häuser –, konzentriert sich die Industrie jetzt auf die vollautomatisierte Baustelle. Mit dem „Smart-System“ (Shimizu Manufacturing System by Advanced Robotics Technologie), bemerkte ein Bauträger, wurde bereits 1988 in Nagotya City ein zwanzigstöckiges Bankgebäude hochgezogen. Nach der Erstellung des Fundaments hangelten sich die programmierten Roboter Stockwerk für Stockwerk hydraulisch am Gerüst hoch, setzten die zugelieferten Teile ein und überreichten dem Bauherrn ein fast schlüsselfertiges Bürohaus. Ungefähr neun Tage benötigt das Robotersystem derzeit für ein Stockwerk.

Es ist kein Wunder, daß die Bauroboter von Automobilkonzernen wie Toyota mitentwickelt wurden und wie diese nicht auf standardisierte, sondern eine differenzierte und flexible Produktion abzielen. Dennoch bilden diese Formen bislang die Ausnahme, wie der Wohnkomplex Yositika in Osaka (1993), der als grüne Terrassenanlage gebaut wurde und an Projekte der Internationalen Bauausstellung erinnert.

Wie lange Berlin von vollautomatisierten Baustellen verschont bleibt, hängt von politischen, wirtschaftlichen und technischen Faktoren ab. Solange etwa billige Arbeitskräfte aus Rumänien oder Portugal die Baustellen bevölkern, wird der Bock-Bauroboter, der 1996 als Prototyp auf den Markt kommt, wenig Chancen haben. Doch wenn Bauen „immer mehr zu einer Frage des Preises wird“, wie der holländische Architekt Klaas Geerts sagte, ist der Roboter am Bau keine Fiktion mehr.

Bei Architekten geht angesichts der Roboterbaustellen die Angst um, die Kreativität an Automaten abgeben zu müssen. Während die Bauausführung, so ein Architekt, durchaus von neuer Technik geprägt sein sollte, müsse es bei Entwurf und Details bei der Hand und der Handwerklichkeit bleiben.