■ Der schönste Tag im Leben, oder:
: Wie heirate ich eine Ausländerin?

Erwischt hat's mich in Rio, auf einer Reise durch Brasilien. Marga* und ich, wir waren vom ersten Tag an kaum noch auseinanderzubringen. Aber wie es so ist: Viel zu schnell nahte der Tag des Abschieds, und dann lagen plötzlich 11.000 Kilometer zwischen uns. Doch beim nächsten Mal, da würden wir uns nicht mehr trennen. Und dazu gab es keine andere Lösung: Wir mußten heiraten. Das sagte mir jedenfalls der zuständige Beamte im Dortmunder Ausländeramt. Mit einem süffisanten Lächeln fügte er hinzu: „Wenn die Liebe so groß ist, dann steht doch einer Heirat nichts im Wege.“ Stimmt! Es störte mich nur, daß nicht wir, sondern das Amt darüber entschied. Aber da kannte ich seinen Kollegen noch nicht. Denn Herr Heinrich – so hieß der gute Mensch vom Standesamt – Herr Heinrich gab sich redlich Mühe, unsere Heirat zu verhindern. Und die Paragraphen leisteten ihm gute Dienste dabei.

Zwei Monate nach unserer Trennung waren wir wieder zusammen. Ich hatte inzwischen eine Einverständniserklärung meines Vermieters besorgt und bescheinigt, daß ich für alle Kosten aufkomme, die durch Margas Aufenthalt in Deutschland und durch eine mögliche Abschiebung entstehen. „Herzlich willkommen“ hieß das wohl auf Beamtendeutsch. Aber was sollte es: Sie war wieder da, und der Grund des Besuchs war sogar amtlich. Nach der Vorlage aller erforderlichen Papiere hatte ihr das deutsche Konsulat nämlich in den Paß gestempelt, daß das Visum nur für die Heirat mit mir – und nur mit mir – gültig war. Daß dieses Visum bloß drei Monate galt – genau wie ein Touristenvisum, für das die ganze Prozedur nicht nötig gewesen wäre – das nahmen wir inzwischen achselzuckend zur Kenntnis. Drei Monate müßten ja reichen zum Heiraten. Dachten wir.

Schließlich hatte meine Freundin alle notwendigen Dokumente mitgebracht: Geburtsurkunde, Reisepaß und Ehefähigkeitsbescheinigung. So was gibt es tatsächlich. Allerdings nur hierzulande. Schon der Name Ehefähigkeitsbescheinigung wäre in Brasilien wohl unmöglich. Marga mußte sich also von zwei unabhängigen Behörden bescheinigen lassen, daß sie derzeit solo ist. Und weil sie schon mal verheiratet war, war zusätzlich die Heiratsurkunde mit Scheidungsvermerk und das richterliche Scheidungsurteil mit Begründung vonnöten – alles zigmal abgestempelt, von einer vereidigten Übersetzerin säuberlich ins Beamtendeutsch übertragen und vom Konsulat legalisiert. Anderthalbtausend Mark kostete der Spaß.

Doch dabei blieb es nicht. Mit Margas Geburtsurkunde ließ Herr Heinrich, der Standesbeamte, noch einmal Gnade vor Recht ergehen. „Denn eigentlich“, so belehrte er uns, „darf das Dokument ja nicht älter sein als sechs Monate.“ – Die Geburtsurkunde? Nicht älter als sechs Monate? Aber Herr Heinrich kniff ja noch mal ein Auge zu. Bei den Übersetzungen allerdings, da könne er nun wirklich kein Auge mehr zukneifen. Auch wenn sie amtlich seien und das deutsche Konsulat in Rio sie legalisiert habe: Wen solle er denn verantwortlich machen, wenn sich trotzdem mal ein Fehlerchen eingeschlichen habe? Hm? Also mußte das Ganze von einer amtlichen Übersetzerin beglaubigt, oder besser noch mal amtlich übersetzt werden. Hier in Deutschland. Damit auch alles seine Richtigkeit hat. Kostenpunkt: 1,80 Mark pro Zeile. Zusammen also rund 500 Mark. „Ach ja“, empfahl uns Herr Heinrich dann noch beim Rausgehen: Es sei besser, wenn Marga zusätzlich zu den Bescheinigungen der beiden Behörden noch die eidesstattlichen Erklärungen von zwei Freunden beschaffen würde, daß sie wirklich ledig ist. Die Richter, die die ganzen Papiere prüfen müßten, die seien eben etwas empfindlich.

Sollte Marga etwa noch mal nach Brasilien zurückfliegen – nur, um sich dort ein paar Papiere zu holen? „Regen Sie sich doch nicht auf“, versuchte der Dortmunder Beamte zu beschwichtigen: „Es soll doch schließlich der schönste Tag in Ihrem Leben werden! Ihre Zukünftige kann doch auch anrufen und ihre Familie bitten, die Papiere zu besorgen.“ Und zu bezahlen natürlich. Das sagte Herr Heinrich aber nicht.

Als die Papiere endlich ankamen, war das erste Visum abgelaufen. Wir hatten es zum Glück rechtzeitig verlängert. Der Aufgebotstermin ließ noch mal auf sich warten. Denn daß Marga inzwischen recht gut Deutsch sprach, konnte Herrn Heinrich nicht überzeugen. Vorschrift ist schließlich Vorschrift. Also mußte eine amtlich registrierte Dolmetscherin dabei sein, 150 Mark. Ein Sonderpreis – inzwischen gehörten wir zur Stammkundschaft. Ja, und dann schickte Herr Heinrich unsere Papiere tatsächlich zum Oberlandesgericht nach Hamm. Anstandslos konnten sie dem scharfen Blick der Gesetzeshüter standhalten. Kein Wunder: Schließlich wissen die Richter, was sie an Herrn Heinrich haben. Uwe Hellner

* (Name geändert)