Narben auf der Seele

■ Wieviel Sensibilität erlaubt die Liga?

So vieles rast ja in diesen schlimmen Nächten durch den gemarterten Kopf. Sinnlose Bruchstücke aus einer längst verlorenen Zeit. Wenn du heute gehst, so viele tun es, einfach so gehst, wie sinnlos das ist, bin ich allein, sie geh'n auseinander, statt einen Weg zu suchen. Howard Heine, der weise! Kann nicht wissen, daß unser zernichteter Mann diesen Weg gefunden zu haben schien, „alles versucht“ hatte, den Schuster in Leverkusen „zu halten“. Über „seine aktive Zeit hinaus“.

Ja, es ist erschütternd, den gerade noch so lebensfrohen Reiner Calmund in diesen windigen Novembertagen leiden zu sehen. Da ist ein Manager, der „einige Nächte nicht geschlafen“ hat, da sind diese „Narben“, die schrecklichen Narben. Und da ist also die gewichtige Frage: Wie muß einer beschaffen sein, im Bundesliga- Geschäft, in dieser kalten Zeit? Er muß „nicht immer sympathisch sein“, das hat der Kölner Keeper Bodo Illgner gesagt und gleich zu beweisen versucht. Aber darf man in diesem Geschäft kein kleines bisserl Sensibilität durchscheinen lassen? „Warum nicht?“, hat Uwe Kamps (Mönchengladbach) zurückgefragt.

Nun: Weil einer, der sich für so knallhart hält wie Matthias Sammer, Schicksalsschläge, ja selbst den schmerzlichsten Roland-Kaiser-Titel schadlos überstehen kann. Einfach durch – und zwar auf dem kürzesten Weg. Manchmal möchte ich schon mit dir, diesen unerlaubten Weg zu Ende gehen! Martin Dahlin und Karlheinz Pflipsen: Statt auf dem erlaubten Weg drängte es die beiden direkt an der Mittellinie des Düsseldorfer Rheinstadions in die Katakomben. Dort aber tat ein deutscher Ordner seine Pflicht. Eine sensible Situation. Was da tun? Ordner Michael H.: „Pflipsen und Dahlin haben sofort mit der Prügelei begonnen.“ Sehr gut.

Ein Klaps, ein rauhes Wort, das alles darf dem Spieler nichts ausmachen. Sagt Lothar Matthäus übrigens auch. Man darf, gibt auch Uwe Kamps schließlich zu, schon sensibel sein, aber nicht „allzu“. Damit man „mit den Dingen besser zurechtkommt“. Anempfohlen sei die sogenannte Bendersche Sensibilität. Vier KSC-Ausländer gegen Leverkusen gleichzeitig auf dem Spielfeld? „Nachdem wir sowieso verloren haben“, sagt hierzu Manfred, „ist das eh scheißegal.“

Solch Unbekümmertheit möchte man auch dem Leverkusener Manager wünschen, wenn er leise seufzt: „Ich möchte an die guten Zeiten denken“, wenn er mit bebender Stimme erklärt: „Wir werden sein Bild bei uns hängen lassen.“ Es gehe nicht an, hat der Gladbacher Kollege Rüssmann gesagt, „daß unsere Spieler geschlagen werden“. Doch dieser kalte Bundesligaherbst sollte ihm sagen: Besser Schrammen vom Prügeln als Narben auf der Seele. Peter Unfried