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: Kleines Glück

Rosa Roth, 2. Folge: „Lügen“, Samstag, 20.15 Uhr, ZDF

Die Grönemeyerschen „Männer“ wirken nach dem Krimi wie eine grob fahrlässige Untertreibung, der endlich eine verschärfte filmische Fassung entgegengesetzt wurde. Männer handeln nämlich mit HIV-verseuchtem Blut, um sich zu bereichern. Männer sind Zuhälter, die machen, daß tote Frauen in Plastiktüten auf Müllkippen liegen. Männer sind zu feige, ihre aidskranke Freundin zu küssen, und können bei einer Prostituierten auch dann nicht nein sagen, wenn ihre Frau nach der Entbindung im Kankenhaus liegt.

„Soll'n die Kerle doch gehen, es lohnt sich für keinen zu heulen“, skizziert denn auch Rosa Roth (Iris Berben) mit dem Ellbogen auf dem Tresen die vernünftigste Lebenseinstellung. Da Kommissarin Roth jedoch zu jenen sympathischen Gestalten gehört, die zwar vernünftig reden, aber nicht so handeln, hat sie jede Menge Grund für ihre dauermelancholische Befindlichkeit. „Der graue Himmel ...“ oder „Ich frag' mich manchmal, was eigentlich noch zählt“, sind Standards, die aus Rosa Roth eine Blacky Black machen, die so wenig zu lachen wie zu schießen hat. Wie unsensibel, daß dieser klassische Mittwochs-Blues ausgerechnet am Wochenende gesendet wurde, wo das Leben immer ein wenig sinnvoller erscheint.

Wirklich dramatisch entwickelt sich, die Tristesse des Alltags ist die Message, nicht der Kriminalfall um die ermordete Prostituierte, sondern Rosas Supermarktbekanntschaft mit Gerlinde. Die blonde Schallplattenverkäuferin wurde durch Blutkonserven im Krankenhaus mit Aids infiziert, ist schwanger und vom Freund verlassen. Am Ende müssen zwar alle Schuldigen sterben oder ins Gefängnis, aber Gerlinde hat sich auch umgebracht. Halbes Happy-End oder gar keins? Daß sich Rosa in den Armen eines ebenfalls aidsinfizierten Malers aus Gerlindes Selbsthilfegruppe tröstet, bedeutete zwar einen Rückfall in tiefste Grönemeyer-Romantik, aber wer ist schon in Wirklichkeit ein stringenter Kitsch-Verächter?

Hat der Bochumer Barde nicht auch manchmal recht? Kann die Suche nach dem Parkplatz nicht verrückt machen, wenn oben der Schatz wartet? Ist nicht einzig das kleine Glück die Medizin gegen das große Elend? Genau. Am Ende bleibt die Frage, welche Schallplatte es wohl war, die Gerlinde Rosa schenkte, als diese mal wieder alles in Frage stellte. Claudia Thomsen