Neue Verhaftungen in Ost-Timor

■ Indonesisches Durchgreifen zum vierten Jahrestag eines Massakers

Singapur/Jakarta (taz/AP) – Anläßlich des gestrigen vierten Jahrestags des Massakers an Teilnehmern einer Demonstration in Dili, der Hauptstadt Ost-Timors, hat der Druck der indonesischen Regierung auf die Mitglieder der Unabhängigkeitsbewegung zugenommen. Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen und dem Verbot aller öffentlichen Gedenkveranstaltungen versuchten die Behörden, gerüchteweise geplanten Protestaktionen vorzubeugen. Auf dem Friedhof Santa Cruz, dem Schauplatz des Massakers, wurden Besucher strengen Leibesvisitationen unterzogen. Die Zufahrten zur Hauptstadt wurden von Polizisten streng überwacht. Am 12. November 1991 waren in Dili zwischen 50 und 200 Menschen, die meisten von ihnen Studenten, getötet worden, als indonesische Soldaten eine Demonstration zugunsten der Unabhängigkeit der Inselhälfte gewaltsam auflösten.

Wie Menschenrechtler am Samstag mitteilten, wurden jetzt erneut Oppositionelle verhaftet und zum Teil mißhandelt. Sie seien mit Stöcken auf Nacken, Nieren und Leber geschlagen worden, damit keine Narben zurückblieben. Seit Mitte Oktober wurden an die 400 Unabhängigkeitsbefürworter auf Ost-Timor von den Behörden festgesetzt.

Seit am 7. Dezember 1975 indonesische Fallschirmspringer niederschwebten, um die ehemalige portugiesische Kolonie zu annektieren, leidet Ost-Timor unter einer blutigen Besatzung, die das Land im Laufe der letzten 20 Jahre an die 200.000 Menschenleben gekostet hat – bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von 700.000. Nur wenige Länder erkennen den Anschluß an, unter ihnen Australien, das die guten Beziehungen zum Nachbarn nicht aufs Spiel setzen will, paradoxerweise aber Flüchtlinge als portugiesische Staatsbürger behandelt und ihnen kein Asyl gewährt. Journalisten dürfen seit Jahren nicht nach Ost- Timor einreisen, ausländische Besucher sind unerwünscht. Erst am Samstag wurde bekannt, daß Jakarta zum wiederholten Male sieben ausländische Touristen mit unklarer Begründung aus Ost-Timor ausgewiesen hat.

Indonesien besteht aus 13.500 Inseln. Nicht wenige Regionen wollen die Unabhängigkeit. Die Anzeichen sprechen dafür, daß in Ost-Timor ein Exempel statuiert werden soll und die offene Gewalt als Abschreckung für andere, etwa Irian Jaya, gedacht ist. abm