■ Mit Chinas Wirtschaft auf du und du: Die Kluft wird breiter
Hongkong/Berlin (taz) – Deutsche Unternehmen in China tun sich offenbar schwer. Unter den Auslandsinvestoren in der Volksrepublik nimmt die Bundesrepublik lediglich Platz acht ein – hinter Hongkong, Taiwan, USA, Japan, Singapur, Großbritannien und Südkorea.
In China arbeiten inzwischen über 100.000 Unternehmen mit Auslandskapital. 1994 investieren Ausländer nach Angaben des Instituts für Asienkunde 33,8 Milliarden US-Dollar in China, gut 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber nur 259 Millionen Dollar davon – oder 0,8 Prozent – stammten von deutschen Firmen. Das hat nichts mit etwaigen moralischen Skrupeln nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 zu tun. Denn noch 1991 hatte der deutsche Investitionsanteil bei 3,7 Prozent gelegen.
Auch mit den deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen steht es nicht zum Besten. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes weisen für das erste Halbjahr 1995 einen Rückgang der deutschen Exporte nach China um zwölf Prozent auf 4,6 Milliarden Mark aus. Für 7,3 Milliarden Mark lieferten chinesische Betriebe nach Deutschland.
Dabei befindet sich die chinesische Wirtschaft weiterhin auf einem rasanten Expansionskurs – zu rasant, wie chinesische PolitikerInnen fürchten. Was die Regierung an dem Wirtschaftswachstum von jährlich zwölf Prozent im Schnitt der letzten drei Jahre so beunruhigt, ist die daraus resultierende Inflation: 21,7 Prozent waren es 1994. Denn die Kluft wird breiter zwischen jenem Teil der Bevölkerung, der am Boom im privaten Sektor teilhat, und den ArbeiterInnen in den maroden Staatsbetrieben. „Wenn das Einkommensgefälle weiter zunimmt, dann wird es unter den Armen gären“, schreibt die amtliche China Daily.
Nun findet in China ein Umdenken bei den wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Rest der Welt statt. Die weniger entwickelten Regionen Chinas schauen mit wachsendem Neid auf die Sonderwirtschaftszonen, die Anfang der achtziger Jahre als Experimentierfelder für den Außenhandel und ausländische Investitionen eingerichtet wurden. Die Regierung versucht nun – mit geringen Erfolgsaussichten –, ausländische Investitionen in das arme Landesinnere mit seiner mangelhaften Infrastruktur zu leiten.
Auf Seiten der ausländischen Geschäftspartner hat sich mittlerweile eine gewisse Desillusionierung breitgemacht. Der umstandslose – und vertragswidrige – Rausschmiß des Hamburger-Riesen McDonald's aus seinen Geschäftsräumen im Pekinger Zentrum, weil die Stadt einen lukrativeren Vertrag mit einer anderen Firma unterzeichnet hatte, wurde zum Symbol für die Willkür, mit der in China oftmals Geschäftskontrakte gehandhabt werden.
Die Regierung in Peking versucht derzeit, die internationale Gemeinschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) davon zu überzeugen, China erst einmal Mitglied werden zu lassen, auch wenn es sich noch nicht an die Regeln hält. Catherine Sampson/lieb
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