piwik no script img

In Gundremmingen Gleise gelockert

■ Akw-Gegner schraubten an Schienen — 28 Festnahmen

Gundremmingen (taz) – Vor dem größten deutschen Atomkraftwerk in Gundremmingen in Bayern blockierten gestern rund 100 Atomkraftgegner die Gleise. Nach einer Kundgebung und einem Gottesdienst versuchten sie, trotz eines starken Polizeiaufgebotes, einen Teil der Schienen zu demontieren.

Obwohl die Polizei zuvor Rucksäcke und Autos der Atomkraftgegner gefilzt hatte, gelang es den Demonstranten, kurzzeitig an vier Stellen die Schrauben aus dem Gleiskörper zu lösen. Herbeigeeilte Polizeibeamte zogen die Schrauben wieder fest – mit dem Werkzeug der Atomkraftgegner. 28 Personen wurden vorübergehend festgenommen, darunter der PDS-Abgeordnete Rolf Köhne. Die rund 200 eingesetzten Polizisten brachten die Festgenommenen in eine Turnhalle des Nachbarortes Offingen, die als Gefangenensammelstelle eingerichtet worden war.

Die Demonstranten hatten ihre Festnahme von vorneherein billigend in Kauf genommen. Mit bloßen Händen scharrte beispielsweise der 25jährige Andreas den Schotter zur Seite. Er war für diese Aktion extra aus einem kleinen Dorf in Brandenburg nach Bayern gekommen. „Das ist meine Gewissensentscheidung. Atomkraft, ob zivil oder militärisch, gefährdet unser aller Leben. Da kann ich nicht tatenlos mit zuschauen.“

Immer wieder versuchten die Demonstranten, in kleineren Gruppen die Polizeibeamten und Kontrollstellen zu umgehen, um an der etwa dreieinhalb Kilometer langen Schienenstrecke vom Atomkraftwerk zum Bahnhof Offingen die Gleise zu demontieren.

„Wir wollen ein Stück Schiene festlich und gewaltfrei mit einfachen handwerklichen Mitteln demontieren“, hatte nach dem Gottesdienst Volker Nick verkündet. Der Friedensarbeiter aus Tübingen stand schon wegen zahlreicher Blockadeaktionen vor Gericht. Es sei ein Protest nicht nur gegen den im Frühjahr geplanten Castor- Transport nach Gorleben, sondern ein Protest gegen die „sinnlosen und gefährlichen Transporte überhaupt“.

Kurz vor dem offiziell genehmigten Teil der Veranstaltung war auf Drängen der Regierung von Schwaben die Kundgebung vom Gleiskörper auf einen abseits liegenden Parkplatz verlegt worden. Doch an diese Auflagen des Landratsamtes Günzburg hielten sich die Teilnehmer nicht. Sie hatten zuvor vergeblich vor Gericht versucht, den ursprünglichen Versammlungsort doch noch genehmigt zu bekommen.

Seit sieben Jahren veranstaltet die „Mahnwache Gundremmingen“ vor den Toren des Akw jeden Sonntag eine Mahnwache. Die sollen weitergehen, doch auch weitere friedliche und gewaltfreie Aktionen sollen folgen. Die grüne Landtagsabgeordnete Elisabeth Köhler begründete, warum : „Es ist unbedingt nötig, solche Formen des Widerstandes anzuwenden, nachdem alles andere nichts bewirkt“, sagte sie. Klaus Wittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen