Der Buddha hofiert Peking

■ Kohls Besuch nützt nur den chinesischen Machthabern

Zu den Spezialitäten der Chinapolitik Helmut Kohls gehören symbolische Gesten. Das zeigte er schon 1987, als er nach Tibet reiste und damit die chinesische Herrschaft auf dem Dach der Welt stützte. Die kommunistische Führung in Peking, die gerade wieder einmal dabei war, undankbare Mönche aus dem Verkehr zu ziehen, war hocherfreut.

Bei seinem jetzigen Chinabesuch ist Kohl wieder vorneweg. Als erster westlicher Regierungschef seit dem Massaker von 1989 besucht er eine chinesische Militäreinheit. Natürlich hat er sich vor seiner Reise bestätigen lassen, daß die Soldaten sauber sind. Kein Problem, hieß es in Peking, die Jungs von der 196. Infanteriedivision haben am 4. Juni 1989 nicht auf die DemonstrantInnen geschossen – das waren natürlich andere.

Der deutsche Kanzler hat sich über chinesische Sitten und Gebräuche offensichtlich gut informiert. In jedem Schulbuch steht, daß Chinas Herrscher schon immer überaus empfindlich und nachtragend waren. Sie wollen stets nur eines: ihr Gesicht wahren. Wer ihnen dabei hilft, dem zeigen sie sich erkenntlich. Kohl hält sich an diese chinesische Weisheit und stattet der Armee einen Besuch ab. Er weiß, daß Chinas Militär politisch und wirtschaftlich immer einflußreicher wird. Und als deutscher Regierungschef hat er deutsche Interessen zu vertreten – und sonst gar nichts.

Kohl irrt allerdings, wenn er meint, er könne die Chinesen allein mit Gesten einwickeln. Man kann ihnen vieles nachsagen, aber dumm sind die Genossen in Peking nicht. Ganz im Gegenteil. Sie können Politik und Handel bemerkenswert scharf voneinander trennen. Wirtschaftsleute mit China-Erfahrung sind sich darin einig, daß es dem Land nur um eines geht: die beste Ware und die besten Technologien mit Hilfe günstiger Kredite so billig wie möglich einzukaufen. Nur weil Kohl den chinesischen Kommunisten schmeichelt, wird kein einziges deutsches Unternehmen auch nur einen Auftrag mehr an Land ziehen. Als Helmut Kohl vor zwei Jahren aus China zurückkam, hieß es, deutsche Unternehmen hätten Aufträge im Wert von sieben Milliarden Mark in Aussicht. Davon spricht aus gutem Grund niemand mehr. Und umgekehrt hatte es keine wirtschaftlichen Folgen, als Chinas Premier Li Peng im vergangenen Jahr wegen der Demonstrationen gegen ihn Deutschland im Zorn verließ.

Kohls Gesten in China bleiben, was sie sind: opportunistisch. Sie sind nicht nur moralisch inakzeptabel, sondern sie nützen auch niemandem – außer dem Regime in Peking. Jutta Lietsch