Dem lieben Gott geht das Geld aus

■ Das Defizit der evangelischen Kirche steigt auf 162 Millionen Mark

Wenn heute die Kirchenparlamentarier zur Herbsttagung der Evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg zusammenkommen, wird die Finanzmisere wie ein Damoklesschwert über den Plenarsitzungen schweben. Der Nachtragshaushalt 1995/96 und die Finanzplanung bis 1998 müssen beschlossen werden. Die Landeskirche rechnet in den Jahren 97 und 98 mit einem Defizit von mehr als 162 Millionen Mark. „Es sieht dramatisch aus“, bestätigt die Finanzdezernentin Barbara Höppner. Mit mehr als 32.000 Kirchenaustritten in Berlin-Brandenburg im Jahr sei die Grenze des Verkraftbaren erreicht. Die Tendenz sei steigend.

Der Anteil der Kirchensteuer an den jährlichen Kircheneinnahmen macht knapp die Hälfte aus. Aber auch die Subventionen der Länder Berlin und Brandenburg werden magerer. „Unsere Ausgaben übersteigen massiv die realen und zu erwartenden Einnahmen“, bilanziert die Finanzdezernentin gegenüber der taz. Sie könne nur überleben, wenn sich die Landeskirche deutlich verkleinere.

Die Sparmaßnahmen sind rigoros. Die Landeskirche Berlin- Brandenburg hat einen Bau- und Stellenstopp verhängt. Für absolut notwendige Renovierungen baufälliger Kirchen und Gebäude werde schon ein Teil des Tafelsilbers verkauft. Sprich: Eine Immobilie wird verkauft, um eine andere zu retten. Vor allem ginge es jedoch darum, die laufenden Ausgaben zu senken. Dafür Immobilien einzusetzen sei sinnlos, rechnet Finanzdezernentin Barbara Höppner vor. Damit könnten nur einmalig Defizite ausgeglichen werden.

Allein die laufenden Personalkosten betragen mehr als zwei Drittel aller Ausgaben. Hier helfe nur ein Stellenstopp. Sämtliche frei werdende Stellen, ob Pastor, Hausmeister, Sekretärin oder Verwaltungsangestellte, sollen nicht mehr neu besetzt werden. Kann eine Stelle nicht gestrichen werden, weil sie unverzichtbar ist, soll sie mit Kirchenangestellten besetzt werden. Im Gegenzug wird damit eine andere Stelle eingespart. Die Kirche will darüber hinaus aber nicht einmal mehr Kündigungen ausschließen.

Mindestens ein Drittel der rund eintausend Stellen müssen gestrichen werden, so die Bilanz der Finanzdezernentin, und „das trifft alle Bereiche“. Wobei für die Kindertagesstätten eventuell eine Ausnahme geschaffen werden soll, schränkt sie ein. Auch drei der insgesamt fünf Predigerseminare müssen geschlossen werden, und zum ersten Mal wird auch der Etat der evangelischen Schulen gekürzt.

Als die Kirchenleitung beschlossen hatte, kurzfristig drei und langfristig alle neun evangelischen Schulen in eine andere Trägerschaft zu überführen oder diese ganz zu schließen, falls bis zur Frühjahrssynode im April kein Träger gefunden wird, brach ein Sturm der Entrüstung los. Die Eltern gingen auf die Barrikaden und mobilisierten im Vorfeld der heute beginnenden Synode die Öffentlichkeit. Doch die Finanzdezernentin bleibt hart: Es gebe kein Zurück mehr. Alle Möglichkeiten müßten ausgeschöpft werden.

Die Kirche ginge hier vollkommen konzeptionslos vor, so der Vorwurf der Gesamtelternvertretung. Der Kirchen-Zuschuß für alle Schulen betrage gerade mal fünf Millionen Mark. Insgesamt seien das weniger als ein Hundertstel vom Jahresetat von 800 Millionen Mark, sagt Gesamtelternvertreterin Beate Riche. Außerdem werden die Lehrergehälter nicht von der Kirche, sondern vom Land Berlin bezahlt. „Die Kirche kappt hier Wurzeln, die nicht schnell nachwachsen.“ Michaela Eck