Keiner will nach Karow-Nord

■ Der Vorzeigevorstadt fehlen die Mieter. Erst die Hälfte der Sozialwohnungen ist vergeben. Interessenten vermissen Kindergärten und gute Verkehrsanbindungen

In Karow-Nord, dem größten Wohnungsbauvorhaben Deutschlands, sollen im Dezember die ersten von 5.200 Wohnungen für fast 15.000 Menschen übergeben werden. Aber: Es finden sich selbst für die geförderten Wohnungen nicht genug Mieter, die in die 2,5 Milliarden Mark teure „Leitbild-Vorstadt“ ziehen wollen.

So sitzt die Wohnungsbaugesellschaft Weißensee (WBW) noch auf fast der Hälfte ihrer 278 Sozialwohnungen und 164 Wohnungen im 2. Förderweg, die ab kommendem Frühjahr bezugsfertig sind. Ähnliche Probleme plagen die Gemeinnützige Heimstätten-Aktiengesellschaft (Gehag). Erst im Juni hatte diese mit Pauken und Trompeten Richtfest für 485 öffentlich geförderte Wohnungen gefeiert.

„Es gibt nicht genügend Interessenten, die im Norden Berlins die Anforderungen für eine Sozialwohnung erfüllen“, konstatierte WBW-Mitarbeiterin Franziska Stier. Anspruchsberechtigte Wohnungsuchende, besonders aus den Innenstadtbezirken, hätten sich nicht dafür erwärmen lassen, in ein infrastrukturell unzureichend erschlossenes Gebiet zu ziehen, unterstrich Weißensees Sozialstadträtin Claudia Hämmerling (Bündnisgrüne) das Dilemma.

Baustadtrat Rainer Hampel (SPD) hingegen betrachtet die Defizite bei der Anbindung des neuen Stadtgebietes nicht als Hauptgrund für die Vermietungsprobleme in Karow-Nord. „Die Einkommen im Osten sind derart gewachsen, daß jene, die sich für eine Sozialwohnung beworben haben, sie nicht kriegen. Doch eine Wohnung im zweiten Förderweg können sie wiederum nicht bezahlen.“ Wer es sich leisten kann, sucht sich ein Domizil in der Innenstadt oder entscheidet sich konsequent für die „dörfliche Idylle“, in der er ein eigenes Haus bauen kann.

Tatsachen, die derzeit auch Groth & Graalfs als größter Bauherr in Karow-Nord zu spüren bekommt. Wohnungen im 2. Förderweg, die ab Dezember bezugsfertig sind, werden derzeit über die Grundstücks- und Verwaltungsgesellschaft ALLOD angeboten wie sauer Bier. Doch bis zu 1.700 DM brutto Warmmiete für eine knapp 100 qm große Wohnung, sind denen, die die Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen in der Regel nur knapp überschreiten, zu teuer.

„Karow-Nord ist mittlerweile ein exemplarischer Fall“, äußerte gestern Elisabeth Ziemer, wohnungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen. „Ähnliche Vorhaben wie die Wasserstadt Oberhavel, in die zusätzlich noch enorme Summen für die Grundstückssicherung gesteckt werden müssen, sollten deshalb umgehend gestoppt werden.“

Die fehlende Verkehrsanbindung, die Unzumutbarkeit, für Menschen, die sich kein Auto leisten können, dort hinzuziehen, verschärfe in Karow-Nord nur eine stadtweite Tendenz. „Bauunternehmen ziehen zunehmend ihre Zustimmungen zurück, in Kopplung mit öffentlichen Fördergeldern frei finanzierte Wohnungen errichten zu müssen, für die niemand da ist, der sie bezahlen kann.“ Kathi Seefeld