■ Vom gepflegten Beleidigen
: Ich bin ein Mafioso

Die Polizeidirektion Tübingen war am Apparat. „Wir ermitteln gegen Sie.“ – „Gut“, sagte ich, „in welcher Sache?“ Die Frage ist berechtigt. Ich verdächtige mich selbst permanent. Nein, es war keine Geschwindigkeitsüberschreitung in der Schweiz (100 in Zürich) und auch nicht der Künstler, den ich in diversen Artikeln einen „Anlagebetrüger“ nannte. „Wegen übler Nachrede“, hieß es am anderen Ende, „zum Nachteil des Regierungspräsidenten.“

Ach ja. Der war wohl beleidigt, daß ich ihn vor einiger Zeit in einem Anzeigenblatt einen „Mafioso“ genannt hatte. Ich dachte, der liest das gar nicht. Aber man kann sich täuschen, auch bei Regierungspräsidenten.

Es ging irgendwie um meinen Bruder. Der war vom Regierungspräsidium nicht nett behandelt worden. Ich bin Journalist. Also schrieb ich einen Artikel dagegen und daß der Regierungspräsident ein „Mafioso“ ist. Ist doch logisch. Man kennt sich, man hilft sich – unter Brüdern, Freunden, Verwandten und Kollegen. Ist doch nichts Schlimmes, ein Mafioso zu sein. Kein „Mafioso“ zu sein, ist schlimm. Ich hatte mal einen Freund, der wollte mir kein Geld leihen, obwohl wir uns schon zehn Jahre lang kannten.

Ich helfe meinen Freunden, wo ich kann. Und der Regierungspräsident hilft seinen Untergebenen, wo er kann. Jetzt hat er mich angezeigt. Bringt aber nichts. „Mafioso“, wird der Richter sagen, ist doch kein Schimpfwort. In Köln heißt das „Klüngel“, in Tübingen „Vetterleswirtschaft“. Ich hätte auch schreiben können: Der Regierungspräsident ist ein „Vetterleswirtschafter“. Aber wie klingt das denn? Eben.

Im übrigen heißt „Mafioso“ nichts anderes als „Ehrenmann“. Wer will das nicht sein? Helmut Kohls Regierungssprecher Peter Hausmann nennt sich gerne selbst einen „Mafioso“, weil er mit seinem schwarzen Schnurrbart sogar so aussieht. Und seit Lothar Späth wissen wir alle, daß es im Ländle eine „Maultaschen-Connection“ gibt, was schließlich einer „Ravioli- Mafia“ gleichkommt.

Nein, nein, wird der Richter sagen, Schimpfwörter klingen heutzutage ganz anders: „Du Politiker!“ – das wäre eine ernsthafte Beleidigung. Oder: „Du Steuerzahler!“ Da könnte ich einen Aufschrei verstehen. Und wenn alles nichts nützt, werde ich dem Richter ein anderes Urteil vorlesen. Vor nicht langer Zeit hat ein Angestellter seinen Chef einen „Seckel“ (nicht mit A-Umlaut) genannt. Der schwäbische Richter fand, das sei gar kein Schimpfwort, jedenfalls nicht südlich der Mainlinie. Eben. Und nördlich der Alpen ist auch der „Mafioso“ nichts anderes als ein anständiger Mensch. Philipp Maußhardt