: Besorgte Frauen Amerikas Von Andrea Böhm
Ich bin ein bißchen spät dran, wofür ich mich in aller Form entschuldige. Der Monat Oktober war in den USA „Lesbian, Gay and Bisexual History Month“, den wir in der taz hiermit in aller Form würdigen und gutheißen – schon allein weil es in den USA keiner tut. Bis auf die Lesben, Schwulen und Bisexuellen natürlich.
Die Idee stammt von einem schwulen Lehrer aus St. Louis, der sich am „Black History Month“ ein Beispiel nahm, in dem sich US- Schüler jedes Jahr speziell mit der Geschichte der Schwarzen befassen.
Die National Education Association, größte Lehrergewerkschaft, fand die Idee ganz gut, was umgehend besorgte Christen und Christinnen der konservativen Sorte auf den Plan rief – allen voran die „Concerned Women of America“. Die besorgten Frauen Amerikas forderten die Gewerkschaft auf, dafür Sorge zu tragen, daß „die Unschuld und Reinheit unserer Kinder, die wir lieben, nicht zerstört wird... Die Gewerkschaft mißbraucht ihren Einfluß, um Schulen und Kinder zu zwingen, Homosexualität zu ,feiern‘.“
„Feiern“ ist in diesem Zusammenhang nicht unbedingt das passende Verb. Die Befürworter eines Lesbian, Gay and Bisexual History Month – kein besonders griffiger Titel – wollen im Geschichtsunterricht vor allem an die Verfolgung erinnern: Zum Beispiel an Thomas Jeffersons erfolglosen Versuch im Jahre 1777, die Homosexualität in Virginia nicht mehr mit dem Tode, sondern „nur“ noch mit der Kastration bestrafen zu lassen. Oder an George Washingtons Anordnung, einen schwulen Soldaten aus der Armee auszuschließen, womit die offizielle Geschichtsschreibung der Diskriminierung von Homos im US-Militär begann. Sollte es je einen Test zu diesem Thema geben, dann müßten Schüler unter anderem wissen, welcher Präsident die Anstellung von Homosexuellen im Staatsdienst verboten hat: a) Washington; b) Lincoln; c) Eisenhower; d) Reagan; e) Clinton.
Die richtige Antwort: c. Wer zu Eisenhowers Zeiten dem Bundesstaate dienen wollte, mußte schwören, weder homosexuellen noch kommunistischen Neigungen zu frönen. Nur auf dem Fundament des Hetero-Kapitalismus sollte das Land gedeihen. Heute sind die Besorgten Frauen Amerikas wenigstens die Sorge um die rote Gefahr los, aber die verflixten Homos sind immer noch da – und vergreifen sich an der Geschichte der USA. Unlängst warf ein Geschichtsprofessor gar die These in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, daß Abraham Lincoln schwul gewesen sei. Beweise, so bemängelte Newsweek, bleibe der Historiker aber schuldig.
Sehr viel mehr Indizien weisen darauf hin, daß Lincolns Vorgänger James Buchanan homosexuell war. Buchanan schneidet in den Geschichtsbüchern allerdings als einer der schlechtesten Präsidenten ab, weil er die Spaltung des Landes zuließ. Im Lehrplan für einen zukünftigen Lesbian, Gay and Bisexual History Month taucht er nicht auf, was den Verdacht erweckt, daß man politischen Pfeifen das posthume Coming-out verweigert und sie stillschweigend dem Lager der Heteros zuschlägt. So geht's natürlich nicht, Freunde und Freundinnen vom anderen Ufer. Nichtsdestotrotz und in diesem Sinne: Viel Glück im nächsten Jahr gegen die Besorgten Frauen Amerikas.
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