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Die weltweite Jagd nach „Promis“

■ Verschiedene Geheimdienste versuchen ein Computerprogramm in den Griff zu bekommen, das ihnen die Kontrolle internationaler Datennetze ermöglicht

Das Buch liest sich wie ein Spionagethriller, es ist aber keiner. Das Werk handelt von Verschwörung und Mord, von Spionage und Waffengeschäften, von Geld und Macht. Beteiligte Personen und Institutionen sind die US-amerikanische „National Security Agency“ (NSA), der israelische Geheimdienst Mossad, auch vom Bundesnachrichtendienst (BND) ist in dem Buch „Die Datenmafia“ von Egmont Koch und Jochen Sperber die Rede. Frisierte Softwareprogramme werden als „trojanische Pferde“ auf den 350 Seiten ins Rennen geschickt; es wird erzählt, wie höchste Regierungsstellen in den Vereinigten Staaten einer kleinen Softwarefirma ein Computerprogramm mit Namen „Promis“ stehlen und mit der geklauten Software anschließend exklusiv und weltweit auf die elektronische Schleppnetzfahndung gehen und dazu System um System knacken und hacken. Journalisten, die die mysteriösen Vorgänge recherchieren wollen, kommen unter mysteriösen Umständen zu Tode.

„Promis“ steht für „Prosecuter's Management Information System“. Es ist ein Programm, das, bei Staatsanwaltschaften eingesetzt, sich hervorragend eignet, die Flut der Gerichtsfälle und richterlichen Entscheidungen auszuwerten sowie Querverbindungen zwischen Namen, Orten, Deliktarten und anderen Gesichtspunkten bei verschiedenen Verbrechen aufzudecken.

„Promis“, das ist aber auch der Einstieg in ein Überwachungsszenario Orwellscher Güte, denn der große Vorzug des Programmes ist es, daß es erstmals die Verknüpfung der verschiedensten Daten aus den verschiedensten Quellen und Systemen zuläßt. Mitte der achtziger Jahre, so berichten Koch und Sperber, reißen Geheimdienstler das Programm an sich, sie treiben die Softwarefirma in den Ruin, um sich den exklusiven Zugriff auf das Programm zu sichern. Eingesetzt wird „Promis“ als elektronische Schleppnetzfahndung in den internationalen Kommunikationssystemen.

Schon die Vorstellung einer nahezu vollständigen Auswertung der internationalen Kommunikationsstränge scheint ungeheuer, es kommt aber noch toller.

Weltweit ist ein solches Programm für Sicherheitsorgane aller Couleur, für Behörden, Banken und andere von Interesse. An dieser Stelle setzt eine beispiellose Geheimdienstaktion ein. NSA und israelischer Mossad vertreiben über eigens eingerichtete Tarnfirmen eine leicht veränderte Fassung des Programms – im Gegensatz zum Original ist es mit einer elektronischen Hintertür versehen, durch die die Nachrichtendienste Zugang zu den Anlagen bekommen, die mit der neu installierten Software arbeiten. Beispiel: Der Mossad spielt seinem Intimgegner in Bagdad über Umwege das Programm zu – um dann ohne Wissen der Irakis deren Datenbestände abzuzapfen.

Mancher Leser wird glauben, eine Mixtur aus Übertreibung und Verschwörung vor sich zu haben. Dagegen spricht aber die bisher seriöse Arbeit der Autoren. Egmont Koch zum Beispiel deckte die „Schalck-Strauß-Beziehungen“ auf. Eine so intensive wie langjährige Beziehung des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zum Chefdevisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, hätte vorher auch kaum einer für möglich gehalten.

Ergänzt wird der Datenkrimi im zweiten Teil des Buches mit (bereits bekannten) Berichten über die weltweiten Lauschpraktiken der NSA und des Bundesnachrichtendienstes. Teil zwei ist bei weitem nicht so spektakulär wie der erste. Er verweist aber auf das Ausmaß, in dem der internationale Fernmeldeverkehr überwacht wird. Auch hier gilt, daß das Interesse der Dienste groß ist und es schon lange nicht mehr nur um politische Spionage geht. Wolfgang Gast

Egmont Koch, Jochen Sperber: „Die Datenmafia“. Rowohlt Verlag 1995, 351 Seiten, 42 DM

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