Die Mauern des Schweigens durchbrechen

■ Drei algerische Oppositionsparteien rufen in Bonn zum Wahlboykott auf

Bonn (taz) – Der wichtigste Gast mußte draußen bleiben: Als gestern in Bonn drei algerische Oppositionsparteien einen Aufruf zum Boykott der Präsidentschaftswahlen vorstellen wollten, durfte der Auslandschef der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) den Ort nicht betreten. Polizisten blockierten Rabah Kebir am Eingang der Gaststätte in der Bonner Rheinaue den Weg. Der 39jährige ist in Deutschland als politischer Flüchtling anerkannt und darf sich als solcher nur eingeschränkt politisch betätigen.

Für die FIS nahm Ould Aada Abd al-Krim auf dem Podium Platz. Er gehöre zur Führungsriege der FIS, stellte er sich knapp vor. Gemeinsam mit dem Kabylen Hocine Ait Ahmad von der „Front der sozialistischen Kräfte“ (FFS) und der Trotzkistin Louisa Hanoune von der kleinen „Partei der Arbeiter“ (PP) erklärte er, warum die am Donnerstag stattfindenden Wahlen eine „plumpe Maskerade“ seien. Das Ergebnis des Urnengangs, bei dem neben dem derzeitigen Präsidenten Liamine Zéroual drei weitere Bewerber angetreten sind, sei abgekartet. Der von den Militärs eingesetzte Zéroual wolle sich ein demokratisches Deckmäntelchen verschaffen.

„Wir haben keinen Kandidaten aufgestellt, weil in den letzten vier Jahren in Algerien 60.000 Menschen getötet worden sind“, erläuterte Ait Ahmad. Weil sich bei den ersten freien Parlamentswahlen Ende Dezember 1991 ein Sieg der FIS abgezeichnet hatte, hatten die Machthaber die Wahlen abgebrochen und den Ausnahmezustand verhängt. Anfang des Jahres hatten sich in Rom die wichtigsten Oppositionsparteien zu einem „Nationalen Pakt“ zusammengeschlossen, um Algerien durch freie Wahlen unter Beteiligung der FIS in eine friedliche Zukunft zu führen. Doch das Regime lehnte ab. „Unser Angebot für Frieden ist so aktuell wie nie“, sagte Ait Ahmad gestern. Die internationale Gemeinschaft müsse „moralische Solidarität“ mit den AlgerierInnen üben. „Es gilt, die Mauern des Schweigens zu brechen“, sagte auch Louisa Hanoune.

Für eine politische Lösung sprach sich auch der FIS-Vertreter aus. „Algeriens Konflikt ist nicht religiös, sondern politisch“, sagte er auf arabisch, während die anderen beiden französisch sprachen. Auch sonst wurden feine Unterschiede deutlich. Während Ait Ahmad „jegliche Anschläge“ zur Durchsetzung politischer Ziele ablehnte, erklärte Ould Adda Abd al-Krim: „Wir verurteilen Anschläge gegen Zivilisten, Ausländer, Frauen und Kinder.“ Thomas Dreger