Shell und Militärs beraten PR-Strategie

■ Dokumente belegen die Zusammenarbeit in Nigeria

Berlin (taz) – Jeden Tag verdient Shell etwa 700.000 Mark durch seine Ölförderung in Nigeria, weiß der Independent. Etwa 14 Prozent von Shells Produktion stammen aus dem westafrikanischen Land. Umgekehrt nimmt Nigeria 10 Milliarden Mark im Jahr durchs Öl ein – das schwarze Gold ist damit bei weitem das wichtigste Exportgut. Und Shell ist der größte ausländische Konzern im Land.

„Niemand hat mehr Einfluß auf Staatspräsident Sani Abacha als Shell“, glaubt Ulrich Delius, Nigeria-Experte bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Die Menschenrechtsgruppe legt Zeugenaussagen und Dokumente vor, die die Zusammenarbeit des Konzerns mit dem diktatorischen Regime belegen – obwohl Shell betont, daß es sich aus der Politik des Landes herausgehalten habe.

Ein Belastungszeuge hat im Prozeß gegen den alternativen Nobelpreisträger Ken Saro-Wiwa und acht Mitstreiter öffentlich ausgesagt, daß er für eine Falschaussage bestochen werden sollte. Man habe ihm nicht nur Geld versprochen, das von Shell und der Regierung bereitgestellt werden sollte, sondern auch einen Job bei dem Ölmulti. Charles Suanu Danwi behauptete, daß er nicht der einzige war, dem man Geld geboten habe.

Auch schriftliche Dokumente belegen die enge Kooperation von Shell und der Staatsmacht in Nigeria. Wie aus einem Protokoll hervorgeht, trafen am 16. März drei hohe Shell-Funktionäre den nigerianischen Botschafter in Großbritannien und mehrere Polizei- und Armeeangehörige. Gemeinsam berieten sie, wie man mit der internationalen Kampagne zugunsten von Ken Saro-Wiwa umgehen sollte. Malcolm Williams, Shell- Direktor für regionale Angelegenheiten, plädierte dafür, die Menschenrechtler nicht direkt anzugreifen, weil ihnen das nur weitere Publizität verleihen würde. Der Botschafter Alhaji Abubakar aber „bestand auf konkreteren Schritten, um ein ausgeglichenes Bild in der Öffentlichkeit herzustellen“. Schließlich vereinbarte man, daß Nigeria Shell bei der Erstellung eines Films unterstützen werde, mit dem die Kritik an der Ölförderung im Nigerdelta entkräftet werden sollte. Außerdem warnte der Shell- Öffentlichkeitsmann A.J.C. Brack den nigerianischen Botschafter vor einem Herrn Boele, der als Tourist nach Nigeria gereist sei, tatsächlich aber dort Recherchen anstelle. Die Warnung kam zu spät: Boele veröffentlichte im Mai einen Bericht über die Ogoni bei der Menschenrechtsorganisation Unpo.

Die GfbV nimmt außerdem eine Bemerkung des Shell-Vertreters John Barry, er besitze Belastungsmaterial gegen die „Bewegung für das Leben der Ogoni“ (Mosop), als Beleg für die politische Kooperation von Shell und Sicherheitskräften: Die Papiere können nämlich nur aus illegalen Durchsuchungen der Mosop-Büros im Juli stammen. Die gute Zusammenarbeit soll weitergehen: Shell will bis zum Jahresende prüfen, ob sich der Konzern am Bau einer milliardenteuren Flüssiggasanlage in Nigeria beteiligt. aje