Diebstahl als Heilung

■ Moondog Jr., eine Zelle von dEUS, puzzelt am Balladenwerk

Die Vorbilder sind reichhaltig, die Vergangenheit des Produzenten deutlich zu hören, aber die Gegenwärtigkeit der Musik rechtfertigt ihre Erscheinung ebenso, wie die ihrer Vorgänger. Moondog Jr., das Zweitprojekt von dEUS Stef Kamil Carlens, spielt mit deutlich identifizierbaren Versatzstücken aus dreißig Jahren Rock-, Pop- und Jazzgeschichte. Beispielsweise Tom Waits und Lounge Lizards (alte Objekte des Produzenten Michael Blair), aber auch Led Zeppelin, Golden Earring, Robert Wyatt und Rip Rig and Panic.

Wenn man es hinter sich gelassen hat, bei jedem Stück darüber nachzusinnen, woher einem dieser Stil, jene gepresste Not oder dieser Gitarrensound bekannt vorkommt (wobei so schreckliche Assoziationen wie Guns'n'Roses leider auch vorkommen), kann man damit beginnen, die Originalität von Moondog Jr. zu akzeptieren.

Mit der Basis Blues, britische Verschrobenheit und US-amerikanische Bereitschaft zum musikalischen Bluff arbeiten die Belgier an einem Balladenwerk über die Dinge, die einem lyrisch begabten Musiker durch den Kopf gehen, wenn er einfach dasitzt und aufmerksam zuschaut.

Dabei verstellt Stef Kamil Carlens seine Stimme immer gerade so, wie es zu Klang und Material paßt. So zeigt er die unerwarteten Luftwurzeln zwischen Alice Cooper und Bob Dylan, Joan Jett und Marc Bolan auf und verhilft mit dieser Unbekümmertheit seinen Liedern zu viel Freundschaftlichkeit.

Es mag verwundern, bei der Nennung von so vielen Querverweisen, daß Everyday I Wear A Greasy Black Feather On My Hat in der Stimmung eine homogene Platte wird. Aber der Wille, ein Opus zu meißeln, hat in der gelungenen Verbindung von zeitlosem und eigenem Sehnen halblangsame 17 Songs zusammengeführt – nur ein kleiner Teil des Live-Repertoires –, die als geschlossene Erzählung durchgehen.

Auch wenn die Musik von Moondog Jr. auf den Spielarten der Bluesrock-Gitarre fußen, läßt der Einsatz rockfremder Instrumente wie Klarinette und der überwiegend bei Waits abgeguckte Operationswillen an klassischen Pattern den kreativen Überschräg erlebbar werden, den auch schon dEUS ausgezeichnet hat. Nachdem Belgien ja seit vielen Jahren als das europäische Herz des Tanztheaters gilt, mag diese Platte eine weitere Wegstrecke zu einem musikalischen Pendant pflastern, auf der sich junge Wilde an der vermeintlichen Rückständigkeit versuchen können. Till Briegleb

Di, 21. 11., Knust, 21 Uhr