Schinken als Soundeffekte

■ Die Reggae-Legende Mad Professor steht persönlich hinter den Reglern

Neil Frazer entspricht so gar nicht dem, was man landläufig unter einem Reggaekünstler versteht. Der Mad Professor, wie er sich seit seinem Einstieg in die englische Musikszene programmatisch nennt, trug seine Haare nie zu Wursthaaren verknotet. Er sprach auch in seiner von Höhen und Tiefen gezeichneten Karriere eher dem Alkohol zu als jenem Kraut, das angeblich gut gegen alles ist und dessen legale Inhalation von seinem Schützling Macka B. genregemäß und vehement propagiert wird.

1979 startete der in Guyana geborene Elektronikbastler und Produzent von seinem Wohnzimmer in Südlondon aus auf einer bescheidenen Vierspurmaschine sein Label Ariwa und den Siegeszug durch die von jamaikanischen Einwanderern dominierte Reggaeszene. Aufgrund seines Geburtslandes stieß er aber nicht nur auf offene Arme, zumal er seine Alben mit vor popkulturellen Referenzen überquellenden Comics illustrierte statt mit kitschiger Rastafari-Folklore. Seine Dub Me Crazy-Reihe gehört zu den beständigsten Institutionen der englischen Reggaeszene. So hat Ariwa neben Fashion als einziges Label mit eigenem Studio die Flaute der Achtziger überlebt, die auf die mit Punk einhergehende Hochphase des englische Reggae folgte. Dabei hatte der PhillySound-Fan kaum Berührungsängste. War kein Geld in der Kasse, produzierte Mad Professor süße Lovers-Sängerinnen und ließ den gerne angerufenen äthiopischen Despoten Selassie einen guten Mann sein.

Relativ schnell etablierte sich Ariwa dennoch zu einem Label mit erkennbar eigener Handschrift. Die Dub-Mixe des Professors quollen vor Soundeffekten und eingespielten Geräuschkulissen geradezu über und brachten ihm unter Spöttern den Vergleich mit dem psychedelischen Bombast von Pink Floyd ein. Zur spröden und reduzierten Schönheit des Dub-Urvaters King Tubby verhält sich Mad Professor wie ein Technicolor-Breitwand-Schinken zu Dsiga Wertow. Doch auch die jamaikanische Szene wurde auf das Studiotalent aufmerksam, und Alben mit Lee Perry, Horace Andy, Johnny Clarke oder Jah Shaka folgten. Selbst die entspannt zwischen Soul und Reggae-Studiotechniken mäandernden Massive Attack erwiesen dem unkonventionellen Neil Frazer ihren Respekt und gaben dem Dub-Remix ihres aktuellen Albums professorale Würde.

Wurden die Produktionen des Professors in letzter Zeit immer minimalistischer und vertrauten auf den Sound alter Effektgeräte, so weiß man dennoch nie so genau, was einen live erwartet. Denn während seine Hausband The Robotiks die Riddims liefert und sich Vokalisten wie Nolan Irie am Mikrofon abwechseln, wendet der Mad Professor das Ganze mehrfach in der Echokammer.

Tobias Nagl

Di, 21. 11., MarX, 21 Uhr