Für 50 bis 200 Mark Wohlwollen

■ Angestellter der Ausländerbehörde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt Von C. Gerlach

Die Worte des Angeklagten sind schwer zu verstehen. Walter-Hermann K. spricht sehr leise, sein Kopf ist meist gesenkt. Nur wenn ihn Richterin oder Staatsanwalt befragen, kommt etwas Bewegung in den schmächtigen 53jährigen. Dann rückt er sich ein wenig gerade, antwortet kurz, um dann wieder einzusacken.

Einen Grund, selbstbewußter aufzutreten, hat K. auch nicht. Gestern vormittag wurde der ehemalige Verwaltungsangestellte der Ausländerbehörde Hamburg vom Amtsgericht wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Dies hatte auch der Staatsanwalt aufgrund „der guten Sozialprognose“ gefordert. K. nahm das Urteil erleichtert an. Fünf Jahre wären die Höchststrafe gewesen.

Zwischen 1992 und 1993 hatte K. in 59 Fällen Asylbewerbern eine Umverteilungsbescheinigung ausgestellt oder eine Aufenthaltserlaubnis besorgt – „unter Verstoß gegen Dienstvorschriften und gesetzliche Vorgaben“, wie es in der Anklageschrift von Staatsanwalt Christian Krafft geheißen hatte. Dem widersprach K., der nach zwölf Dienstjahren im März 1994 entlassen worden war und seitdem als Kraftfahrer arbeitet, gestern auch gar nicht: Der ehemalige Seemann war voll geständig, „ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung“, so Krafft, „ohne seine Mithilfe wäre das Verfahren vielleicht gar nicht möglich gewesen.“

Zwischen 50 und 200 Mark habe er für die „wohlwollende“ Prüfung der Anträge erhalten und dafür gesorgt, daß bereits anderen Bundesländern zugeteilte Asylbewerber – Pakistani, Türken oder Afghanen – doch in Hamburg bleiben durften. Insgesamt hatte K. an die 8000 Mark („Ich habe nie Buch geführt“) für seine verbotenen Dienste erhalten – meist in einem Briefumschlag oder auf dem Flur seiner Dienststelle. Verhältnismäßig wenig, fand auch die Vorsitzende Richterin Gudrun Stöhr: „Gelohnt hat sich das für Sie ja nicht.“

Eigentlich hatte K. mehr Geld von seinen Vermittlern haben wollen, bis zu 1500 Mark pro Fall, doch mehr als 200 Mark „für die Anzahlung“ wurden es nie. Einer seiner Mittäter, ein türkischer Dolmetscher, muß sich heute morgen vor dem Amtsgericht wegen Bestechung verantworten.

Daß K. sich überhaupt habe korrumpieren lassen, begründete er mit seinen hohen Schulden. Er hatte seiner Ehefrau, die 1984 an Krebs gestorben war, die beiden letzten Lebensjahre „leichter machen“ wollen. Dadurch war er schlußendlich auf 95.000 Mark Verbindlichkeiten sitzengeblieben. Gleichzeitig hatte er auch noch seine einzige Tochter versorgen müssen, zu der er inzwischen keinen Kontakt mehr habe. Dies ließ das Schöffengericht als mildernde Umstände gelten.

Auf weniger Verständnis dürfte ein anderer Mitarbeiter der Ausländerbehörde stoßen, dessen Fall demnächst zur Verhandlung kommen soll. Auch gegen den ehemaligen Abschnittsleiter „Zentrale Dienste“ – vor seiner Versetzung für die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen und Visa zuständig – ermittelt die Staatsanwaltschaft. Das teilte gestern deren Sprecher, Rüdiger Bagger, auf taz-Anfrage mit. Gegen insgesamt 34 Beamte und Angestellte der Ausländerbehörde laufen oder liefen Verfahren wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Vorteilsannahme. Neben K. wurde bislang nur ein weiterer Behördenmitarbeiter rechtskräftig verurteilt: Im September 1994 bekam Michael S. sechs Monate auf Bewährung.