Sanssouci
: Vorschlag

■ Lektionen in Sachen Taktik: „Intrigen“ – Eine Filmreihe im Checkpoint mit Kassenhits von einst

„Die Frauen“ (1939) Abbildung: Augustus Verlag

Haben Sie als Kind mal „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas gelesen? Dann erinnern Sie sich vermutlich noch an Lady Winter und Kardinal Richelieu, ein hinterhältiges Gespann, das aus Gründen, in denen sich Staatsräson und gekränkte Eitelkeit vermischen, die schöne Zofe Constance zu Tode brachte. Diese symbiotische Vermischung ist der eigentliche Antrieb der Intrige, denn die Zofe zum Beispiel hatte mit Politik nun überhaupt nichts am Hut, war aber zu ihrer Verderbnis das liebe Augenlicht eines politisch einflußreichen Musketiers. Nein, Intrigen hinterlassen nie ein gutes Gefühl, nicht einmal, wenn man ausschließlich beobachtend, ob nun dicke Bücher schmökernd oder tragische Filme sehend, an ihnen teilhat. Das unangenehme Berührtsein muß wohl am ungeheuren projektiven Potential von Intrigen liegen: Mit Intriganten sollte man trotz allen Ekels gut auskommen, sonst fällt man ihnen zum Opfer – wenn man nicht selbst gegen sie intrigiert. Nun ist die Fähigkeit zur Intrige auch eine Frage des Formats: Wer es nicht hat, ist zwar mitunter angenehmer, aber nicht unbedingt interessanter.

Und weil Intrigen nun einmal abscheulich, aber deswegen auch so enorm spannend sind, werden sie auf der Leinwand immer wieder gern nachempfunden. Das Kino Checkpoint zeigt eine vierteilige Reihe zum Thema „Die hohe Kunst der Intrige“. Alle Filme, die dort laufen, waren irgendwann einmal Kassenknüller, und dieser Fakt ist nicht nur gruselig und faszinierend, sondern spricht auch sonst für sich: Was sehen die Leute noch, außer daß sie einen Film über Intrigen sehen?

Hal Ashby drehte 1974 „Shampoo“. Oberflächlich betrachtet ist es ein Film über einen Starfriseur aus Beverly Hills, der mit all seinen Kundinnen, deren Töchtern und Freundinnen ins Bett steigt. George Roundy, gespielt von dem für die Rolle besonders qualifizierten Warren Beatty, träumt von einem eigenen Salon, das heißt, er träumt nicht nur. Da er mit Felicia schläft, der Frau seines potentiellen Kreditgebers Lester, außerdem Lesters Geliebte Jackie, eine seiner früheren Geliebten, zu einer Nummer überredet und auch Felicias Tochter beglückt, die ihrer alten Mutter damit nur eins auswischen will, gerät er zwangsläufig ins Ränkespiel verschiedener, gegeneinander arbeitender Interessen, seine eigenen inbegriffen. Intrigen kosten Nerven, und George ist hypernervös. Er zieht den Fön, ganz phallisch, wie einen Revolver, und auch die Frisuren, die er seinen Kundinnen verpaßt, sind tödliche Waffen im Kampf der einen gegen die andere: Sie werden bis zur großen Wahlparty für Richard Nixon streng geheim gehalten.

„Shampoo“ ist in das weiche, südkalifornische Licht getaucht. Perfekte Körper konkurrieren unter dem Zwang zum Erfolg, und George ist derjenige, der das Ego von Frauen und Männern hätschelt und ihnen deswegen das Ohr, den Mund und mehr auslutschen kann. Dennoch bleibt George am Ende als Verlierer zurück – er ist nicht nur Opfer des eigenen Omnipotenzwahns geworden, sondern hat noch dazu schlichtweg die Übersicht im sozialen Labyrinth verloren. Der absolut beste Dialog: „Bist du verheiratet?“ – „Manchmal.“

Aber „Shampoo“ wirkt, verglichen mit George Cukors „Die Frauen“ von 1939, wie Schnulli-Kram. „Die Frauen“ ist gewissermaßen das Monument der Intrige. Zu Beginn kläffen sich zwei Schoßhündchen an, das Vorspiel für 135 Filmminuten, in denen 135 New Yorker Society-Frauen beim Tee oder im Schönheitssalon Ränke schmieden, sich anlächeln, tratschen und sich gegenseitig vernichten. Sie haben nämlich weiter nichts zu tun. Männer sind in Cukors Film zwar in keiner Sekunde sichtbar, aber ununterbrochen präsent – um sie geht es schließlich, wenn Fango- Packungen aufgelegt und Bosheiten verteilt werden. Nirgendwo genießen Bosheiten größere soziale Akzeptanz als bei einer Scheidung: Eine Dame (Norma Shearer) will ihren Mann loswerden, wie gut trifft es sich da, daß der gerade eine Affäre hat.

Die Geliebte und baldige neue Ehefrau (Joan Crawford) wird Opfer der Intrigen, was Crawford zu einer Rolle verhalf, die ihrem üblichen Image als harter Femme fatale eigentlich widersprach. Paulette Godard, für mich immer noch die charmanteste und geistreichste Actrice des alten Hollywood, krönt als Freundin von Shearer die feine Giftküche. Die Rechte für „Die Frauen“ laufen übrigens Ende November aus. Der Film wird dann nicht mehr ins Kino kommen, also marsch ins Checkpoint, wo außerdem Stephen Frears „Gefährliche Liebschaften“, Roman Polanskis „Chinatown“ und Martin Scorceses „Zeit der Unschuld“ dem Publikum einige – hoffentlich – kathartische Lektionen in Strategie und Taktik erteilen. Anke Westphal

Die Filmreihe läuft von heute bis 29.11. im Kino Checkpoint, Leipziger Straße 55, Mitte