: Unsicherer Wahltermin in Haiti
■ UN-Blauhelme sollen auf Demonstranten geschossen haben. Nach tagelangen Unruhen ruft Aristide zur Ruhe auf
New York/Port-au-Prince (taz/ AFP) – Einen Monat vor der geplanten Präsidentschaftswahl am 17. Dezember wird auf Haiti die Luft erneut durch Schwaden brennender Autoreifen verpestet. In den vergangenen Tagen sollen im Laufe gewalttätiger Proteste mindestens sieben Personen ums Leben gekommen sein.
Am Montag waren in Gonaives vier mutmaßliche Anhänger der früheren Militärdiktatur von Sympathisanten des Präsidenten Jean- Bertrand Aristide gelyncht worden. Dort sollen, wie erst am Dienstag bekannt wurde, drei weitere Menschen ums Leben gekommen sein, als UN-Blauhelme in die Menge der Demonstranten feuerten. Die gewaltsamen Ausschreitungen, die außer Gonaives auch die Hauptstadt Port-au-Prince, die nördliche Hafenstadt Cap Haitien und die südliche Hafenstadt Jacmel erfaßten, hatten sich an der Ermordung des Lavalas-Abgeordneten und Aristide-Cousins Jean Hubert Feuille am Dienstag voriger Woche entzündet.
Allerdings ist auch Präsident Aristide selbst an den Krawallen nicht ganz unschuldig. Er hatte nach dem Mord ausdrücklich an „die Jugend“ appelliert, der Polizei zu helfen, „Kriminelle und Terroristen zu entwaffnen“. Daraufhin begannen Zivilisten im ganzen Land, unter eigener Regie Autos zu kontrollieren und Häuser nach vermeintlichen ehemaligen attachés, den Todesschwadronen der Diktatur, zu durchsuchen. Einige Jugendliche haben jetzt sogar den Bischofssitz durchsucht, ohne freilich Waffen zu finden. Ex-Diktator Avril hatte sich schon in der letzten Woche in die kolumbianische Botschaft geflüchtet, nachdem in seinem Haus Waffen gefunden worden waren.
Am 17. Dezember stehen in Haiti Wahlen an. Aristide kann nicht wiedergewählt werden, weil dies die von ihm selbst akzeptierte Verfassung des Landes verbietet. Er hat aber seine Anhänger weder davon abgehalten, seine Wiederwahl zu fordern, noch potentielle Gegenkandidaten mit dem Tode zu bedrohen. Erst jetzt rief der Präsident in einer Radio-Ansprache zur Ruhe auf.
Vielen Lavalas-Parteigängern käme eine Verschiebung der Wahlen nicht ungelegen. Einem UN- Sprecher in New York zufolge sollen die Präsidentschaftswahlen wie geplant stattfinden. abm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen