Streit um die heimische Kohle gewinnt an Brisanz

■ Fünf Weise sprechen Todesurteil. Wuppertal Institut will Mengenreduzierung

Düsseldorf (taz) –Die Entscheidungsschlacht um die deutsche Steinkohle naht. Sollte die Bundesregierung dem am Dienstag vorgetragenen Rat der Fünf Weisen folgen, dann wäre spätestens im Jahr 2005 Schluß auf den westdeutschen Pütts. Alle Steinkohlesubventionen, zuletzt über 10 Milliarden Mark pro Jahr, sollen nach den Vorstellungen der Sachverständigen zwischen 2001 und 2005 „endgültig eingestellt“ werden. Weil die deutsche Steinkohle etwa dreimal so teuer ist wie die importierte, stünden dann die noch 100.000 Arbeitsplätze im Bergbau zur Disposition. Mindestens weitere 100.000 Jobs wären in den Revieren in NRW und dem Saarland mittelbar bedroht. Die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) rüstet sich für die große Schlacht, denn, so IGBE- Sprecher Norbert Römer, die Entscheidung über „Auslaufbergbau oder Langfristbergbau rückt immer näher“. Während Kanzleramtsminister Bohl (CDU) erst vor wenigen Tagen eine „grundlegende Rückführung“ der Kohlesubventionen anmahnte, kam vom Wuppertal Institut unerwarteter Zuspruch für die heimische Kohle. In einer von der evangelischen Kirche in NRW finanzierten 222seitigen „Vorstudie“ kommen die Klimaexperten zu dem Schluß, daß die unter Klimaschutzgesichtspunkten in Deutschland noch einsetzbare Kohle „auch langfristig hier gefördert werden kann“. Allerdings auf einem erheblich verringerten Niveau. Verglichen mit heute sei es „unvermeidlich“, daß „in 50 bis 60 Jahren nur noch ein um den Faktor 4 bis 5 reduziertes Kohlenmengengerüst“ realisiert werde. Die Lichter gehen in Deutschland auch bei einem gleichzeitigen Atomausstieg dennoch nicht aus: Bis dahin, so heißt es in der Studie, könne „technisch“ der Umstieg in ein „weitgehend regeneratives Energiesystem zu einem großen Teil“ abgeschlossen sein. Schlüge man diesen Weg ein, sei bis zum Jahr 2005 als „Grobabschätzung“ mit bis zu 420.000 neuen Arbeitsplätzen (bis 2020 sogar mit 640.000) zu rechnen.

Die Klimaschutzziele der Enquete-Kommission – Reduzierung der C02-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 50 Prozent – lassen sich der „Vorstudie“ zufolge auch dann realisieren, wenn im Jahr 2020 noch rund 30 Millionen Jahrestonnen Steinkohle (1994: 72 Mio. Tonnen) und maximal 130 Millionen Tonnen Braunkohle (1994: 202 Mio.) verbrannt werden. Der Aufschluß des in NRW umstrittenen Braunkohletagebaus Garzweiler II wäre allerdings überflüssig.

Die heimische Steinkohle wegen des Preisvorteils einfach durch Importkohle zu ersetzen, halten die Wuppertaler Forscher für falsch. Ein schlichter ad hoc Preisvergleich reiche „auf keinen Fall“ aus. Es sei durchaus denkbar, daß die noch ausstehende „langfristige regional- und volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse zeigt, daß die vordergründig teurere heimische Steinkohle gesamtwirtschaftlich und ökologisch bewertet dennoch vorteilhafter ist als die billige Importkohle“. Walter Jakobs