Mädchen können was

■ Mädchentage in Bremerhaven: Über 100 Schülerinnen an den Werkbänken

„Verflixt, warum gehen die Scheinwerfer nicht an,“ schimpft Sevda Uçan. Die 14-jährige Türkin steht vor einem Modell–Schaltpult für die KFZ–Elektronik und stöpselt nach einem kompliziert aussehenden Schaltplan Stecker in farbige Buchsen. Sie ist eine von 105 Schülerinnen, die sich an diesem Vormittag in den Werkstätten der Kreishandwerkerschaft in Bremerhaven als Handwerkerinnen versuchen. Sevdan findet „den Job hier echt interessant“. Automechanikerin werden? Warum nicht, meint sie, ihre Eltern hätten nichts dagegen. Ein paar Schritte weiter haben sich fünf Mädchen um einen Automotor gescharrt: KFZ – Meister Horst Keßler demonstriert einen Zündkerzenwechsel. Hier wie überall an diesem Morgen das gleiche Bild: Interessierte Gesichter, gespanntes Zuhören, in Arbeit vertiefte Mädchen.

Ganz und gar unweibliche Berufe sind es, die die Mädchen so in Bann ziehen: Eletroinstallation, Heizungs- und Sanitärtechnik, Metallverarbeitung, Zimmern und Maurern. Ausprobieren und Mitmachen lautet denn auch die Devise des Aktionstages „Mädchen im Handwerk“, der im Rahmen der fünften Bremerhavener Mädchentage veranstaltet wird. Veranstalterin ist der „Runde Tisch Mädchenarbeit“, zu dem neben Vertreterinnen der Kreishandwerkerschaft und des Amtes für Jugend und Familie auch die „Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau“, ZGF, gehören. Sozialpädagogin Elke Jungbluth von der Kreishandwerkerschaft erläutert das Konzept der Mädchentage: „Die Mädchen sollen neugierig gemacht werden auf ein breiteres Berufsspektrum, jenseits der weiblichen Standardberufe wie Arzthelferin oder Friseurin.“

Und da die Praxis meist lehrreicher ist als schnöde Theorie, werden die Mädchentage dieses Jahr erstmalig in den Räumen der Kreishandwerkerschaft veranstaltet. Unter einem Dach befinden sich hier zwölf überbetriebliche Ausbildungswerkstätten, in denen die Mädchen nach Lust und Laune typische Männerarbeiten verrichten können. „Und zwar ohne Jung's“, betont Hilla Ehmke, zuständig für Mädchenarbeit bei der ZGF. „Mädchen wollen bei solchen Veranstaltungen unter sich bleiben.“

Die 15-jährige Nina und die 14-jährige Relana müssen also keine dummen Sprüche männlicher Mitschüler befürchten, wenn sie Zement verstreichen und beinah andächtig Stein auf Stein ihrer kleinen Mauer setzen. Sie sind mit rund zehn weiteren Mädchen in eine absolute Männerdomäne eingedrungen: die Maurerwerkstatt. Denn bis heute dürfen Mädchen nur mit einer Sondergenehmigung den Beruf der Maurerin erlernen, klärt mich Bärbel Brosche von der Kreishandwerkerschaft auf, ein Anachronismus, wie nicht nur sie sie findet.

Die zwanzigjährige Kirstin Zwingmann hat den Sprung in die Männerwelt des Handwerks gewagt. Sie ist Tischlerin im dritten Lehrjahr und die einzige weibliche Auszubildende, die an diesem Vormittag den Mädchen mit Rat und Tat zur Seite steht. An den Werkbänken der Holzwerkstatt hobeln und feilen etwa zehn Schülerinnen an ihrem ganz persönlichen Werkstück: einer Tulpe aus Holz. Staub liegt in der Luft, und gute Stimmung. Kirstin ist immer noch glücklich mit der Wahl ihres Berufes, in dem sie überwiegend mit Funierarbeiten, Fenster- und Innenausbau beschäftigt ist. „Man muß aber wirklich Lust dazu haben und sich engagieren, um anerkannt zu werden,“ räumt sie ein. „Denn die meisten Männer machen ersteinmal ein langes Gesicht, wenn sich eine Frau im Betrieb vorstellt“, ist ihre leidvolle Erfahrung. sal