: Das Rollkommando
■ Wenn die anderen Night-Talker ins Wochenende zappen, legt jetzt Jürgen von der Lippe los: "Wat is?" (23 Uhr, WDR)
Weiß eigentlich irgendwer, warum bei der ARD die Schirm- Talker vorzugsweise auf den Namen Jürgen hören? Nachmittags macht Pastor Fliege, Jürgen, im Ersten den guten Onkel, nachts spielt Domian, Jürgen, im WDR-Fernsehen Kummerkasten für Schlaflose, und nun kommt auch noch von der Lippe, Jürgen, mit einer Rederunde daher. Immerhin wird es hier weit weniger betroffen zugehen als andernorts. Dieses „Wat is?“ droht schon im Titel eher burschikose Unterhaltung an, und die Sendung soll auch so aussehen. Mehr latenightmäßig halt. Drum gibt's das Plauderhalbestündchen auch mit einem Hauch von „daily“: freitags bis dienstags, also vorwiegend rund ums Wochenende, wenn die anderen Late-Nighter – darunter demnächst auch Harald Schmidt – unsere Nerven und ihre Stimmbänder schonen.
„Wat is?“ kommt erst mal drei Wochen zur Probe und in einem zweiten Block mit noch mal 15 Folgen wieder ab dem 26. Januar. Und eigentlich ist das Ganze denn doch keine Late Night im klassischen Sinne. Denn im Gegensatz zu anderen Talk-Shows, wo sich die Moderatoren was drauf zugute halten, sich ordentlich auf ihre Gäste vorzubereiten (auch wenn man davon nicht immer was merkt), weiß Herr von der Lippe gar nicht, wer da gleich ins Studio schneit, um mit ihm ein Schwätzchen zu halten. Unmittelbar vor dem Auftritt der drei bis vier Gäste bekommt er lediglich ein Kärtchen mit ein paar Stichworten zugesteckt, falls seinem Gegenüber nun partout nicht mehr einfällt, welch komische Begebenheit er hier zu Gehör bringen wollte.
Witzig soll's jedenfalls irgendwie sein. Darauf legt die Redaktion bei der Auswahl der Kandidaten aus des Volkes Mitte größten Wert. Ein Mann, der durch die Hose atmet, oder eine Frau, die sich in der Sozialwohnung einen Elefanten hält, der zudem noch Skat spielen kann – solche Menschen hätten hier durchaus die Chance, ins Fernsehen zu kommen. Wer von der Dampfwalze überrollt wurde und immer noch lebt, hingegen nur unter der Voraussetzung, daß er heute wieder herzhaft darüber lachen kann.
Damit dieses Kuriositätenkabinett für die Menschen daheim an den Geräten nicht zum öden Gruselkabinett wird, vertraut die Redaktion ganz auf Jürgen von der Lippes Schlagfertigkeit. Riskant, so etwas. Aber andererseits auch wieder nicht: Die Folgen kommen natürlich als Aufzeichnungen ins Haus.
Reinhard Lüke
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