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Spaß am Vatermord

■ Die Comics von M. S. Bastian und Thomas Ott verwursten Kunstgeschichte

Deutschland, deine Comic- ZeichnerInnen. Immer noch gibt es Leute, die einen Hansrudi Wäscher (Sigurd, Akim) als eigenständige Größe verkaufen wollen, um damit ihre Kindheit in den fünfziger Jahren heiligzusprechen. Und auch die Nachbarländer haben mit der Tradition ihre Probleme: In der Edition Moderne sind zwei schön ausgestattete, schwarzweiße Alben deutschsprachiger Comic- Autoren aus der Schweiz erschienen, die zwar die Fünfziger längst hinter sich haben, allerdings noch nicht in den neunziger Jahren angekommen sind.

In „Päng“ von M. S. Bastian sind auf dem Cover und zwischen den Geschichten Mickey-Mouse- Figuren zu sehen, die hinreißend deformiert wurden. Die lustigsten Bilder, seit in einem U-Comic Mickey Minnie gebumst hat. Klar, daß in einer Kulturnation wie der Schweiz neben Popeye und Tintin auch Collagen der Dadaistin Hannah Höch verwurstet werden. Klar auch, daß ein deutschsprachiger Comic die Erzählung mit dem guten, alten Burroughsschen Cut-up- Verfahren dekonstruiert und mit Bildern irgendwo zwischen Dubuffet, Informell und Buchgrafik vom Prenzlauer Berg die Amis und Belgier alt aussehen lassen will. Natürlich braucht es dafür auch ein Szenario von Bukowski, das Bastian jedoch von allem Sex gereinigt hat. Die längste Episode ist gerade mal zehn Seiten lang, denn das Zerstören von Comic-Konventionen geht sehr schnell. Doch die Kunstzerstörung der Dadaisten war lustig, Bastians Vatermord am Comic ist meistens bierernst. Jeder Stilbruch verdeutlicht, wie wichtig er Originalität nimmt.

„Greetings from Hellville“ von Thomas Ott ist gegenüber „Päng“ fast konventionell gemacht. Ein klarer Seitenaufbau, naturalistische Details statt Comic-Reduzierung, eine Geschichte mit Anfang und Ende. Otts Comic hat keine Sprechblasen oder Untertitelung, womit er das Erzähltempo verlangsamt und auf das Spannungsverhältnis von Text und Bild verzichtet. Die Schlußpointen der kurzen Episoden kommen notwendigerweise etwas plump daher. Ein Killer mit einer Schwimmbrille bringt einen Mann um, geht zu einem Schließfach, dort liegen zwei Glasaugen, die er in seine leeren Augenhöhlen einsetzt. Gewalt mit Horrorelementen und hochsymbolischen, zumeist christlich-ikonographischen Verweisen gespickt – nicht gerade eine neue Mischung.

Eine Comic-Revolution ist bei Ott und Bastian nicht herausgekommen, sondern ernsthafte, handwerklich solide Comics. Martin Zeyn

M.S. Bastian: „Päng“; Thomas Ott: „Greetings From Hellville“. Beide Edition Moderne 1995, je 25 DM

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