■ Verabschiedung des Sprachgesetzes in der Slowakei: Ein pathologischer Kult
Die Slowakei ist auf dem Weg in die internationale Isolation. Kein Geringerer als der slowakische Staatspräsident Mihal Kováč hat vor kurzem auf diese Gefahr hingewiesen. Staatliche Willkür, Machtmißbrauch und Nationalismus der Mečiar-Regierung haben Formen angenommen, gegen die schriftlich zu protestieren sich in den letzten Wochen die Europäische Union und die US-Präsidentschaft gezwungen sahen.
Mit der Verabschiedung des Sprachgesetzes hat die Slowakei mehr als nur einen weiteren Schritt in die Selbstisolation getan. Vordergründig war es der Preis, den Mečiar an die Nationalisten in der Koalition zahlen mußte, damit sie im Parlament der Ratifizierung des slowakisch-ungarischen Grundlagenvertrags zustimmen. Tatsächlich aber sprengt das „Gesetz über die Staatssprache“ jeglichen Rahmen eines politischen Kuhhandels: Es ist kaum zu übertreibende nationalistische Groteske, nationalistischer Wahn.
Seine Vorschriften greifen auf Orwellsche Weise in einen der empfindlichsten, intimsten Bereiche von Menschen, vor allem von Angehörigen der Minderheiten ein: die Kommunikation. Die Präambel schreibt, zumindest theoretisch, vor, daß slowakische Staatsbürger sich in slowakisch zu verständigen haben. Im Staats- und Verwaltungsapparat, selbst dort, wo alle Versammelten anderssprachig sind, muß die Staatssprache gesprochen werden. Auf anderssprachigen Veranstaltungen müssen der erste Satz und die Ankündigung, gleich einem Tribut an einen Götzen, in der Staatssprache fallen. Die beiden Höhepunkte des pathologischen Kultes um die Staatssprache: Nichtübersetzung von Fremdwörtern, beispielsweise Anglizismen, kann bestraft werden; anderssprachige Schriftzüge dürfen nicht größer sein als die der Staatssprache.
Weitere Warnungen von westeuropäischer Seite, Sanktionen, wie die Schließung des EU-Büros in Bratislava, wären wünschenswert und könnten vielleicht dazu beitragen, die nationalistische Mečiar-Regierung auf einen anderen Kurs zu zwingen. Aber sie zeigen auch das Elend der doppelten Maßstäbe: Westeuropa hat selbst große Defizite beim Minderheitenschutz (allen voran Deutschland und Frankreich). In den USA, einem Land mit großzügiger Sprachfreiheit und -vielfalt, soll Englisch als Amtssprache eingeführt werden. Das abschreckende Beispiel des slowakischen Sprachgesetzes müßte Anlaß sein, auch hier nationalstaatliche Rudimente zu beseitigen. Keno Verseck
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