„Ein Rollentausch tut not“

■ Kenneth Courtis, Chefvolkswirt und Vizepräsident der Deutschen Bank (Kanada) zur Rolle Japans und der USA bei der Apec

taz: US-Präsident Bill Clinton hat seine Teilnahme am Gipfeltreffen des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (Apec) aufgrund der Haushaltsprobleme in den USA kurzfristig abgesagt. Darunter leidet auch der japanische Führungsanspruch beim diesjährigen Apec-Gipfel. Verlassen Amerika und Japan heute schon den Weg der pazifischen Integration?

Kenneth Courtis: Diese beiden Mächte verhalten sich unverantwortlich. Die Gesamtschulden des amerikanischen Staats bewegen sich heute auf dem höchsten Niveau seit den dreißiger Jahren. Ziel amerikanischer Politik im Rahmen der Apec sollte es deshalb sein, weniger zu importieren und durch die Stärkung des Exports nach Asien langfristig auch die Schuldenlast des Staates abzubauen.

Japan, das bei 14 von 17 Apec- Ländern einen Handelsüberschuß einfährt, fällt dagegen die Aufgabe zu, den eigenen Binnenmarkt für die übrigen Länder zu öffnen. Der Konsumanteil des japanischen Bruttosozialprodukts liegt bei nur 56 Prozent denkbar niedrig, dagegen liegt er in der EU bei 64 und in den USA bei 68 Prozent. Eine Stimulierung der Nachfrage in Japan könnte den übrigen asiatischen Ländern erlauben, in Zukunft mehr nach Japan statt in die USA zu exportieren.

Kann das strategische ökonomische Ungleichgewicht zwischen Asien und den USA in dem von der Apec angestrebten Integrationsprozeß ausgeglichen werden?

Innerhalb der Apec muß ein Rollenwechsel zwischen Japan und den USA stattfinden. Apec bietet den perfekten Rahmen für diesen Rollenwechsel, denn alle Länder, die an diesem Prozeß teilnehmen müßten, sind hier vertreten. Die Lösung liegt doch auf der Hand: In Japan, wo sie beginnen könnte, lautet sie Deregulierung. Amerika und das übrige Asien würden von den neuen Importmöglichkeiten nach Japan profitieren, und der japanische Handelsüberschuß würde sinken. Wenn dadurch auch das strategische Ungleichgewicht zwischen Japan und den USA ausgeglichen würde, könnte die ganze Weltwirtschaft davon profitieren.

Das Thema wird innerhalb der Apec aber gar nicht angesprochen. Japan weigert sich, zu deregulieren, und die USA sehen nur bedingt den Zwang zur Korrektur von Leistungsbilanz und Staatshaushalt.

Trotzdem sollte hier der Kern der Apec-Debatte liegen. Wenn diese Debatte hier nicht ordentlich geführt wird, sollten andere sie aufnehmen: die Deutschen oder die Engländer etwa. Auch die Bundesbank hat ein Interesse daran, daß die Supermächte USA und Japan gemeinsam eine vernünftige Politik betreiben. Denn andernfalls wäre auch Europa betroffen. Und Amerika ist ohnehin gezwungen, den relativen Anteil seiner Importe zu senken. Wenn nicht Japan sie aufnimmt, wohin kann das übrige Asien dann noch exportieren? Nach Europa. Wenn aber Asien Europa mit Exporten überfluten wird, wird es für die Länder Osteuropas noch schwerer werden.

Wer sind die Politiker, die diese Probleme aufgreifen?

Ich sehe sie nicht. Alle reden um das Problem herum. Präsident Clinton hätte in Osaka zumindest das nötige intellektuelle Verständnis aufbringen können. Interview: Georg Blume