Happy Birthday Bundeswehr

Tucholsky-Zitat und Kriegsdienstverweigerer. Auf der 35. Kommandeurstagung sorgten sich die Offiziere um Wehrmüdigkeit und um die Bürgerakzeptanz von Out-of-area-Einsätzen  ■ Aus München Wolfgang Gast

Der Jubilar gibt sich kränkelnder als er in Wahrheit ist: Sein Problem heißt mangelnde emotionale Zuwendung. Vierzig Jahre ist die Bundeswehr nun alt geworden. Aber auf der 35. Kommandeurstagung in München zeigt sich, daß unbekümmertes Feiern das Feld der Militärs nicht ist.

Da wird die eigene Aufbauarbeit wortreich beschworen und der Gründung vor vier Jahrzehnten ausgiebig gedacht. Die „beispiellose“ Integration des einstigen potentiellen Gegners „Nationale Volksarmee“ wird allseits hervorgestrichen. Viel geredet wird auch über die neuen Aufgaben, die das Ende des Kalten Krieges mit sich brachte. Es bleiben aber Analysen, deren Gefühlsgehalt mit dem tristen Charme des dunkelbraun gehaltenen fensterlosen Tagungssaales konkurrieren kann.

Die obersten Krieger der Republik geben sich betont zurückhaltend, erfolgsorientiert, den Blick stets in die Zukunft gerichtet. Etwa 500 Uniformträger sitzen dichtgedrängt auf den vorderen Stuhlreihen. Die Ehefrauen – seit der 30. Kommandeurstagung in Würzburg zugelassen – müssen im hinteren Teil des Saales Platz nehmen. Generalinspekteur Klaus Naumann betont, daß sie „zu Lasten der eigenen Kasse“ angereist sind. Es sollte wohl ein Scherz über die Mittelkürzungen im Verteidigungsbereich sein. Die Aussage zeigt jedoch eher die Verunsicherung der hochgestellten Offiziere. Ihre Nerven liegen blank.

Deutlich wird das bei zwei Themen: den gestiegenen Zahlen von Kriegsdienstverweigerern (KDV) und dem Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter, die das Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ unter den Schutz der Meinungsfreiheit gestellt haben.

Beides, Zitat und KDV-Zahlen, sind für den Generalinspekteur zwei Seiten einer Medaille. Wo nicht erreicht werde, „die Sinnhaftigkeit des Grundwehrdienstes zu vermitteln“, da verdichte sich „das vorgefaßte Bild vom Bund“. Wer dann noch zulasse, daß Soldaten als Mörder „pauschal diffamiert“ werden dürfen, der solle sich über eine steigende Wehrmüdigkeit nicht wundern und auch nicht, wenn „langfristig darüber die Wehrpflicht zugrunde geht“. Gleich dreimal kommt der Vier- Sterne-General in seiner Rede auf das Soldaten-Urteil zurück. Und er fordert: „Taten müssen auch folgen, wenn mit dem Mörder-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes weiter Schindluder getrieben wird.“

Vergebens hatte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude in seinem Grußwort „die schier unglaubliche Akzeptanz der Bundeswehr“ in den Vordergrund gerückt und versöhnend gemeint: „Das ist doch weiß Gott wichtiger als die Frage, welche Beleidigungen die Meinungsfreiheit zuläßt.“

Der „Soldat in Uniform“ – er war auf der dreitägigen Veranstaltung überraschend nicht zugegen. Weder Bundespräsident Roman Herzog noch Klaus Naumann noch die Kommandeure beim inoffiziellen Plausch erwähnten jemals diesen Begriff, der seit Jahrzehnten von der Bundeswehrführung als Beweis für den Bruch mit der Wehrmachtstradition angeführt wird.

Er taugt offenbar wenig zur Legitimation der neuen Aufgaben. Der Bürger in Uniform hat bei den jetzt kommenden „Krisenreaktionskräften“ wenig verloren. Dort rückt das Soldatische wieder in den Vordergrund, von den Bürgerinnen und Bürgern wird erwartet, die Out-of-area-Einsätze ihrer Soldaten mitzutragen. Da ist er wieder, der nagende Zweifel an der Akzeptanz.

„Unsere Sache ist“, sagt Naumann am Mittwoch nachmittag über den Einsatz der „Streitkräfte im Frieden außerhalb Deutschlands“, „das Risiko ungeschminkt zu nennen, die Zeit zur Vorbereitung unserer Soldaten einzufordern und für auftragsgerechte Vorbereitung und Ausstattung zu sorgen“. Gewißheit aber müsse sein, „daß eine breite Mehrheit hinter uns steht, wenn wir im Auftrag von Parlament und Regierung in bewaffnete Einsätze gehen und unsere Familien in unserem Land zurückbleiben“. Vorbereitung und Ausstattung, das war gestern Thema der nichtöffentlichen Beratung. Verteidigungsminister Volker Rühe will heute deren Ergebnisse referieren.

Großen Beifall erhält der Bundespräsident für seine Rede. Sie ist Balsam für die gebeutelte Soldatenseele. Überlegungen für eine mögliche Wiedereinführung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerern weist Herzog als „meines Erachtens falsch“ zurück. Aber gleichzeitig streicht er heraus, „es wäre falsch, aus der vom Verfassungsgericht geforderten Gleichbehandlung der Wehr- und Zivildienstleistenden eine Gleichrangigkeit beider Dienstformen abzuleiten.“

Der Dienst bei der Bundeswehr ist für Roman Herzog „vorrangige Pflicht“. Frieden und Freiheit seien schließlich nicht „durch einen Ohne-mich-Pazifismus gesichert worden, sondern durch die Entschlossenheit, Aggressionen auch militärisch zu begegnen“. Eine vage Hoffnung offerierte Herzog den Kommandeuren: „Den Krieg ächten heißt nicht, den Soldaten abzuschaffen. Auch manche Pazifisten sind jetzt dabei, diesen Denkfehler zu korrigieren.“ Fragt sich nur, ob der mit Pazifist anscheinend gemeinte Bonner Fraktionschef der Bündnisgrünen, Joschka Fischer, sich so schnell aufs militärische Schiff hieven läßt.