„Fraktionsvorsitz unbestritten“

■ SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering ist guter Hoffnung: Rudolf Scharping macht in der zweiten Reihe weiter mit, und er selbst bleibt auch

taz: Hat Rudolf Scharping dieses Ergebnis verdient?

Franz Müntefering: Die Delegierten haben sich entschieden. Die Partei wollte Klartext. Das Ergebnis war eine deutliche Aussage für Oskar Lafontaine als neuen Parteivorsitzenden. Rudolf Scharping hat als Stellvertreter eine sehr große Mehrheit mit 482 Stimmen bekommen.

Lassen sich die Probleme der SPD mit Oskar Lafontaine als Vorsitzendem leichter lösen?

Entscheidend wird sein, daß wir unsere politische und inhaltliche Arbeit nicht wieder durch Personalquerelen überdecken. Ich gehe davon aus, daß alle an der Spitze die Botschaft der Basis verstanden haben. Die Delegierten wollen, daß damit Schluß ist und die politischen Inhalte wieder offen diskutiert werden und daß wir die Menschen mit ihren Sorgen da abholen, wo sie sind, zum Beispiel durch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, durch die Schaffung von Ausbildungsplätzen.

Was sind im nachhinein für Sie die Fehler, an denen Rudolf Scharping als Parteivorsitzender gescheitert ist?

Dazu hat sich Rudolf Scharping in seiner Parteitagsrede selbst geäußert. Die Zusammenarbeit war in der Spitze nicht gut. Aber das war nicht seine Schuld – zumindest nicht seine allein.

Kann Lafontaine denn mit einer besseren Zusammenarbeit in der Spitze rechnen?

Ich hoffe das. Das ist die Voraussetzung dafür, daß die SPD wieder erfolgreich sein kann.

Sie sind sich aber auch nicht sicher, daß die Personalquerelen nach dem Wechsel an der Parteispitze jetzt beendet sein werden?

Man kann Vertrauenswürdigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit nur beweisen, nicht versprechen. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Spitze aus dem Parteitag gelernt hat. Die Ortsvereine und Delegierten müssen sicher sein, daß ihre Arbeit zu Hause nicht ständig von der Großwetterlage in Bonn überdeckt wird. Von Rudolf Scharping ist hier heute dafür ein Zeichen gesetzt worden. Er hat gesagt: „Ich mache weiter mit und bleibe dabei.“ Das ist vom Parteitag sehr positiv aufgenommen worden.

War die Kandidatur von Lafontaine von langer Hand eingefädelt oder eine spontane Reaktion auf seine sicherlich geplante Rede?

Das Thema war ja seit Wochen virulent. Ob er, als er hierher kam, schon wußte, daß er die Rede halten würde, weiß ich nicht. Aber er hat die Delegierten überzeugt.

Bleibt Rudolf Scharping Fraktionsvorsitzender?

Das ist letztlich die Sache der Fraktion. Ich halte die Kombination Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Parteivorsitzender neben dem neuen Parteivorsitzenden auch für eine sinnvolle.

Mit welcher Autorität kann Scharping nach dieser verheerenden Niederlage in der Bonner Bundestagsfraktion noch arbeiten?

Die Bundestagsfraktion hat ihm vor ganz kurzer Zeit ihr Vertrauen ausgesprochen ...

... das hat der Parteivorstand auch getan.

Die Fraktion hat mit rund 80 Prozent klargestellt, sie will Rudolf als Vorsitzenden haben. Ich sehe das unbestritten.

Sie bleiben aber auch unter Oskar Lafontaine SPD-Bundesgeschäftsführer?

Nicht unter Oskar Lafontaine, sondern Geschäftsführer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Interview: Karin Nink