Lafontaine und die Internationale

■ Der neue SPD-Vorsitzende stellt seine Fähigkeit zur emotionalen Synthese eindrucksvoll unter Beweis

Berlin (taz) – Die Kraft der Synthese, das ist's, was sozialdemokratische Führergestalten heute auszeichnen muß. Von dieser Fähigkeit gab Oskar Lafontaine in seiner Parteitagsrede am Mittwoch eine Kostprobe. Was er zur universellen Brüderlichkeit sagte, wirkte spontan, war aber Ergebnis harter Arbeit. Hier ein Auszug aus der Schlußberatung der Ansprache:

„Woran's bei deiner Rede noch fehlt, Oskar-Chef, ist was Menschheitsumschlingendes. Vielleicht irgendwas aus ,Freude, schöner Götterfunken‘: ,Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein‘ – geht nicht wegen Rudolf. ,Wer ein holdes Weib errungen‘ – fällt dir nicht schwer, ist aber hier irrelevant. Jetzt haben wir's: ,Alle Menschen werden Brüder!‘

Ist wirklich gut, wirft aber folgendes Problem auf: Du mußt die humanen und die linken Leidenschaften gleichzeitig mobilisieren. Pathos der Aufklärung und Kampfgeist der Arbeiterbewegung. ,Die Internationale erkämpft das Menschenrecht‘ wäre jetzt wieder frei, läuft aber nicht, weil's am Subjekt fehlt.

Oskar-Chef, wir kombinieren einfach, wir vereinen Schiller und die Internationale! Du sagst also folgendes: ,Genossinnen und Genossen, wir haben nicht immer diese verschiedenen Nationalhymnen gebrummt. Erinnert euch, hatten wir nicht mal die Internationale, und sangen wir nicht: Alle Menschen werden Brüder?‘

Falls du noch zulegen willst, hier folgende Variante: ,Und hieß es nicht: Alle Menschen werden Brüder, wenn dein starker Arm es will?‘ Oder so ähnlich.“

C.S.